"Für den Standort Deutschland wird es einen erheblichen Unterschied machen, ob wir einen Startplatz haben oder nicht"

Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des BDI ist davon überzeugt, dass der Markt für Kleinsatelliten in den nächsten Jahren stark wachsen wird und Deutschland deshalb einen eigenen Startplatz für Microlauncher braucht

Joachim Lang ist seit 2017 Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Er steht voll hinter der Initiative zur Errichtung eines deutschen Startplatzes für Microlauncher, die beim BDI-Weltraumkongress im Oktober vergangenen Jahres erstmals präsentiert wurde. Warum die New-Space-Bewegung dazu beiträgt, dass die Raumfahrt ein immer bedeutsamerer Teil von Wirtschaft und Gesellschaft wird und warum er davon überzugt ist, dass eine mobile Startplattform in der Nordsee Deutschland einen Standortvorteil verschaffen würde, erklärt er im Interview mit OHB-Kommunikationschef Günther Hörbst.

Herr Lang, wann wird der erste Microlauncher von einem deutschen Startplatz aus ins All abheben?

JL: Wir haben alles, was wir dazu brauchen: das Know-how und die Microlauncher-Hersteller, die Überzeugung, sogar einen gut geeigneten Ort für den Startplatz. Was wir noch benötigen, ist ein bisschen öffentliche Unterstützung von Bundes- und Landesbehörden, also die nötigen Genehmigungen und die Anfangsinvestitionen. 

Was sind das denn für Genehmigungen, die noch nötig sind?

Das reicht von der Nutzung des Luftraums bis zum Umweltschutz. Erst muss alles geprüft werden, dann müssen alle Beteiligten ihre Einschätzung dazu abgeben. Das ist ein Prozess, der jetzt beginnt. Wir sind aber sehr zuversichtlich.

Waren Sie überrascht, wie positiv der BDI-Vorschlag von Politik und Öffentlichkeit aufgenommen wurde?

Wir haben die Initiative für einen deutschen Startplatz für Microlauncher erstmals auf unserem BDI-Weltraumkongress im Oktober vergangenen Jahres vorgestellt. Da gab es einen Moment des Verharrens, das muss ich schon zugeben. Da haben sich bestimmt einige gefragt: Was ist denn mit dem BDI los? Doch je mehr Interessierte sich mit dem Thema befasst haben, desto deutlicher wurde, welche phantastischen Potenziale wir im Bereich New Space in Deutschland haben. Da tummeln sich viele innovative Unternehmen. Dann haben wir in Abstimmung mit der Branche, den Microlauncher-Herstellern und der maritimen Wirtschaft ein 50-seitiges Konzept vorgelegt, wie ein solcher Weltraumbahnhof, eine mobile Startplattform auf See, umgesetzt werden könnte. Die Markteinschätzung bis 2028 lautet, dass 10.000 Satelliten ins All verbracht werden, davon 86 Prozent Kleinsatelliten. Dadurch entstehen ungeahnte neue Möglichkeiten für die Erdbeobachtung sowie für den Umwelt- und Klimaschutz. Es gibt ein riesiges Interesse, auch von staatlicher Seite, quasi live Daten zu erhalten.

Gehen wir davon aus, dass diese Entwicklung wie von Ihnen beschrieben abläuft, mit einem Weltraumbahnhof auf deutschem Grund inklusive einer lebendigen Microlauncher-Industrie. Was würde sich für die deutsche Volkswirtschaft ändern?

Aus unserer Sicht ist die Raumfahrt im Zeitalter der Digitalisierung ein Schlüssel für Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, Industrie 4.0, Big-Data-Anwendungen oder Klimaschutz. Das wird also gar nicht mehr wegzudenken sein. Die Frage lautet: Wollen wir über die notwendigen Daten für diese Technologien und den Zugang eigenständig verfügen? Viele sagen hier in Deutschland: Das können wir auch, wir haben alle Fähigkeiten. Jemand, der sich nicht auskennt, denkt zunächst einmal an einen Startplatz auf dem Festland. Derjenige weiß nicht, dass ein solcher Start auch von einer Plattform in der Nordsee aus möglich ist, was viele Vorteile bietet. Das haben wir im BDI-Konzeptpapier dargestellt.

Welches Potenzial steckt aus Sicht des BDI in dieser Microlauncher-Branche?

Raumfahrt wird ein viel integralerer Bestandteil unserer Wirtschaft und Gesellschaft werden, als sie es bisher war. Einfach deshalb, weil der Nutzen deutlicher zu erkennen ist. Lange Zeit war Raumfahrt extrem teuer und ein recht exklusives Geschäft. Das war im Grunde so etwas wie die Formel 1. Dies verändert sich gerade. Wenn die Kosten sinken, können viel mehr Teilnehmer mitspielen. Nehmen Sie zum Beispiel Bilddaten. Mit kleinen Satelliten können Sie in hoher Frequenz Bilder zur Verfügung stellen, die es zuvor nicht gab oder nur, indem man Helikopter oder Flugzeuge gechartert hat. Das zentrale Element dieser New-Space-Branche ist, dass die Kosten für Anwendungen sinken und somit der Kreis der Nutzer und Nutzungsmöglichkeiten extrem wachsen wird.

Dann stehen der Raumfahrt und ihren Anwendungen ja goldene Zeiten bevor. Marco Fuchs, der Inhaber und CEO von OHB, hat kürzlich die Voraussage gewagt, die 20er Jahre würden das Jahrzehnt der Raumfahrt werden. Sehen Sie das auch so?

Ja, wenn der Knoten der Bürokratie durchschlagen wird, dann kann man diesen Satz unterschreiben. Denn dann wird es losgehen!

Der BDI verbindet diesen Durchbruch immer stark mit dem Erfolg eines deutschen Weltraumbahnhofs. Ist dazu aber nicht erstmal der Durchbruch der deutschen Microlauncher-Industrie nötig?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstützt Unternehmen mit einem innovativen Microlauncher-Wettbewerb. Der Markt für Kleinsatelliten wird sich in den kommenden Jahren dynamisch entwickeln. Für den Standort Deutschland wird es insgesamt einen erheblichen Unterschied machen, ob wir einen Startplatz haben oder nicht. Wir merken nämlich, welche Magnetwirkung ein solcher Startplatz hätte. Es kommen inzwischen zahlreiche Interessenten aus aller Welt zu uns und sagen: Wenn ihr einen Startplatz hättet, würden wir auch bei euch buchen. Die Zahl der Startplätze weltweit ist nicht so groß wie der Bedarf an Starts. Das heißt: Der Markt drückt. Diese Startplätze werden sich also bilden. Wir haben hier die Gelegenheit, bei einem Zukunftsthema ganz vorn mitzuspielen. Diese Chance sollten wir uns nicht entgehen lassen. 

Sie benötigen dafür am Ende aber auch die Politik. Wie viel Überzeugungsarbeit wird denn da noch nötig sein?

Die Realisierung ist eine politische Entscheidung und keine technische Frage. Das Bundeswirtschaftsministerium prüft derzeit das Konzept des BDI. Daraus wird sich ergeben, welche Themen noch auf verschiedenen Ebenen berücksichtigt werden müssen. Wir sind dazu im engen Austausch und flankieren das, wo wir können. Für viele ist das Neuland. Wir sollten aber offen sein für neue Technologien, die uns viele Vorteile bringen werden im täglichen Leben.  

Ihr Präsident Dieter Kempf hat sich als Science-Fiction-Fan geoutet, auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder berichtet immer wieder von seiner Leidenschaft für Geschichten aus dem Weltraum. Wie sieht das bei Ihnen aus? Sind Sie mit dem Microlauncher- und Spaceport-Thema auch zum Fan geworden?

Ich komme aus einer Generation, die mit Science-Fiction aufgewachsen ist. Ein bisschen hat mich das auch in seinen Bann gezogen. Was mich aber noch viel mehr fasziniert: Wer hätte gedacht, dass wir vieles, was damals in Filmen gezeigt wurde, schon heute realisieren?

An was denken Sie da?

Was wir heute als CT oder MRT kennen, das hatte Pille, der Schiffsarzt aus Star Trek, schon immer. Ein tragbares Gerät, in das man einfach spricht, war noch vor 30 Jahren reine Science-Fiction. Heute machen wir das alle. Und dass wir Anwendungen bekommen werden, die Sprachen simultan über ein Gerät wie ein Smartphone übersetzen, war auch schon bei Star Trek üblich. Wir brauchen diese Visionen und Träume, damit wir sie überhaupt Realität werden lassen können.

Wie wichtig sind Visionen für den industriellen Fortschritt?

Absolut entscheidend! Nur diejenigen, die diese Visionen haben und ihnen auch Raum bieten, können den Transfer vom Traum zur Wirklichkeit herstellen. Dass man nicht nur zu den Sternen schauen kann, sondern ihnen inzwischen auch entgegenfliegen kann, das hat schon etwas Mystisches. Das hat uns über Generationen begleitet.

Wie erleben Sie das mit der Begeisterung zur Raumfahrt in der deutschen Wirtschaft, vor allem beim Mittelstand? Wie viel Bewusstsein ist da vorhanden für den Nutzen, den die Raumfahrttechnologie stiftet?

Wir können noch mehr für die Verknüpfung von Raumfahrt- und Nicht-Raumfahrtunternehmen werben und verdeutlichen, welche Vorteile es gibt, an die viele bislang noch gar nicht dachten. Wir werden das Internet der Dinge weiter ausbauen, das bedeutet, dass in naher Zukunft ungefähr 50 Milliarden Geräte und Sensoren miteinander vernetzt sein werden. Und das wird ohne Satelliten nicht möglich sein. Die deutschen Start-ups, mittelständischen und großen Unternehmen sind ein maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung. Durch die industrielle Serienfertigung werden die Kosten deutlich sinken – und weitere Anwendungen möglich machen. Wir haben da wirklich eine große Erfolgsstory vor uns.

Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des BDI.

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