Am 26. September 2022 soll DART auf dem Asteroiden Dimorphos einschlagen und dadurch dessen Flugbahn verändern. © ESA

Billard im Weltall – DART und Hera

Wie die Erde vor gefährlichen Asteroiden geschützt werden kann

 

In unserem Sonnensystem wurden bisher bereits weit über 1 Million Asteroiden entdeckt. Gut 1.400 davon werden aufgrund ihrer Flugbahn und Größe auf der Risikoliste der Europäischen Weltraumorganisation ESA geführt und stehen unter besonderer Beobachtung. Die ESA und andere Weltraumagenturen beobachten diese Asteroiden aber nicht nur: Sie arbeiten auch an möglichen Modellen und Missionen, die zukünftig schwerwiegende oder sogar fatale Asteroideneinschläge auf der Erde verhindern könnten.

Im Vergleich zu den immer deutlicher sichtbar werdenden Folgen von Umweltzerstörung, Artensterben und Klimawandel erscheint die Bedrohung der Menschheit durch Asteroideneinschläge im wahrsten Sinne des Wortes weit weg. Ereignisse wie die Tunguska-Explosion am 30. Juni 1908 und der Einschlag des Asteroiden von Tscheljabinsk am 15. Februar 2013 zeigen aber, dass die Gefahr nicht unterschätzt werden darf.

Ursache der Tunguska-Explosion war mit großer Wahrscheinlichkeit der Eintritt eines 30 bis 40 Meter großen Asteroiden in die Erdatmosphäre. Dieser explodierte etwa fünf bis vierzehn Kilometer über dem Boden und verursachte dabei eine Druckwelle, die in der heutigen Region Krasnojarsk in Nordsibirien auf einem Gebiet von über 2.000 Quadratkilometern Bäume entwurzelte und in der 65 Kilometer entfernten Handelssiedlung Wanawara Fenster und Türen eindrückte. Noch im 450 Kilometer entfernten Kirensk konnten Augenzeugen eine aufsteigende Staubfontäne beobachten. Ein Einschlagkrater wurde bis heute allerdings nicht gefunden. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass der Asteroid noch vor dem Aufprall in viele kleine Teile zerbrochen ist. Trotz einer mit mehreren Megatonnen TNT vergleichbaren Sprengkraft  waren die verursachten Schäden in dem dünn besiedelten Gebiet aber noch vergleichsweise gering.

Knapp 1.500 Verletzte gab es hingegen beim Einschlag des Asteroiden von Tscheljabinsk. Auch dieser Asteroid brach noch in der Luft auseinander und verursachte dabei eine Druckwelle, die rund um die Stadt Tscheljabinsk im russischen Ural zahlreiche Gebäude beschädigte. Ein gutes halbes Jahr nach dem Einschlag wurde ein Fragment des Asteroiden mit einem Gewicht von mehr als 570 Kilogramm aus dem 80 Kilometer südwestlich von Tscheljabinsk gelegenen Tschebarkulsee geborgen. Den Durchmesser des gesamten Asteroiden schätzen Experten auf ungefähr 17 bis 20 Meter.

Hätte man die Einschläge von 1908 und 2013 voraussehen können?

Der Einschlag von 1908 war nicht voraussagbar, der von 2013 theoretisch schon. Bis 1890 konnten Asteroiden nur durch den Vergleich von Teleskopbeobachtungen mit bestehenden Himmelskarten gefunden werden. Aufgrund der relativ geringen Lichtempfindlichkeit des menschlichen Auges erlaubte diese Vorgehensweise aber nur die Entdeckung lichtstarker Asteroiden. Erst mit dem Aufkommen der Fotografie konnten durch Verwendung besonders lichtempfindlicher Emulsionen bei langer Belichtungszeit und Nachführung des Teleskops auch lichtschwache Objekte nachgewiesen werden. Dadurch stieg die Zahl der bekannten Asteroiden rasch stark an.

Seit den 1990er-Jahren wird die Suche nach Asteroiden unter Verwendung automatisierter Suchprogramme durchgeführt. Diese systematische Durchmusterung des Himmels hat dazu geführt, dass heute fast täglich neue Asteroiden entdeckt werden. Der Asteroid von Tscheljabinsk blieb trotzdem bis zu seinem Einschlag unerkannt. Dies lag einerseits an seiner vergleichsweise geringen Größe und andererseits an seiner Annäherung an die Erde aus Richtung der Sonne.

Welche Möglichkeiten gibt es, Asteroiden abzuwehren?

Die gut gefüllten Risikolisten der Weltraumagenturen und die wiederkehrenden Berichte von knappen Vorbeiflügen zeigen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der nächste größere Asteroid auf seiner Bahn durch unser Sonnensystem der Erde gefährlich nahe kommt oder gar auf ihr einschlägt. Die rechtzeitige Entdeckung des Objekts ist in einem solchen Fall natürlich nur die halbe Miete. Die andere Hälfte besteht in der Anwendung von Zivilschutzmaßnahmen und der Entwicklung geeigneter Abwehrmethoden.

Eine Abwehrmethode, an deren Erprobung ESA und NASA aktuell gemeinsam arbeiten, ist die Ablenkung eines Asteroiden durch den Einschlag eines sogenannten kinetischen Impaktors, also einer speziellen Raumsonde. Das Projekt trägt den Namen AIDA (Asteroid Impact and Deflection Assessment).

Die AIDA-Mission: DART und AIM

Die erste Konzeptstudie für die AIDA-Mission wurde bereits im Februar 2015 vorgestellt. Das damalige Missionskonzept sah eine Mission mit zwei Raumsonden vor: die von der NASA konzipierte Einschlagsonde DART (Double Asteroid Redirection Test) und die Beobachtungssonde AIM (Asteroid Impact Mission). Letztere sollte von der ESA beigesteuert werden. Als Versuchsobjekt wurde der erdnahe Doppelasteroid Didymos ausgewählt. Dieser besteht aus einem Hauptkörper mit einem Durchmesser von ungefähr 800 Metern und einem kleineren Körper mit einem Durchmesser von knapp 170 Metern, der den Hauptkörper in einem Abstand von gut einem Kilometer wie ein Mond umkreist und den Namen Dimorphos trägt. Der Missionsablauf sah vor, dass DART auf Dimorphos einschlägt und die Auswirkungen von AIM dokumentiert und zur Erde übertragen werden. Auf der Ministerratskonferenz der ESA im Dezember 2016 wurden allerdings keine Gelder für die Mission bewilligt, was einem Rückzug der ESA aus dem Projekt gleichkam. Die NASA beschloss daraufhin, die DART-Mission trotzdem durchzuführen. Die Beobachtung des Einschlags und die Vermessung der Bahnänderung sollten dabei von Observatorien auf der Erde übernommen werden.

Hera als Nachfolger von AIM

Bei der ESA-Ministerratskonferenz im November 2019 wurde allerdings von den ESA-Mitgliedstaaten das Konzept für eine alternative Mission zu AIM bewilligt. Die neue Sonde trägt den Namen Hera und wird von OHB als Hauptauftragnehmer realisiert. Das Projekt unterliegt einem sehr straffen Zeitplan, da Hera bereits 2024 starten muss, um noch zu einem Zeitpunkt am Didymos-System anzukommen, der einen ausreichenden Funkkontakt mit der Erde erlaubt. Die von der NASA entwickelte DART-Sonde befindet sich bereits seit dem 24. November 2021 auf dem Weg zum Didymos-System und wird am 26. September mit einer Geschwindigkeit von etwa 6,5 Kilometern pro Sekunde auf Dimorphos einschlagen. Die unmittelbaren Folgen des Aufpralls können dabei nur von der Erde aus beobachtet werden. Ohne jedoch die genauen Ausmaße des entstandenen Einschlagskraters zu kennen, ist die durch den Aufprall entstandene Bahnänderung von Dimorphos nicht genau bestimmbar.

An dieser Stelle kommt die Hera-Sonde ins Spiel. Sie wird 2026 am Didymos-System ankommen und eine genaue Untersuchung der Einschlagstelle und der Eigenschaften von Dimorphos durchführen. Dazu führt Hera neben den eigenen Instrumenten noch zwei Minisatelliten mit, die sich nach Ankunft am Didymos-System von der Sonde lösen und unabhängig Experimente durchführen.

Erst diese von Hera bereitgestellten Daten erlauben eine umfassende Interpretation der Auswirkungen des Einschlags von DART und damit eine Beurteilung der grundsätzlichen Wirksamkeit der angewendeten Methodik zur Asteroidenabwehr. Die AIDA-Kollaboration zwischen ESA und NASA mit den beiden Missionen DART und Hera trägt somit dazu bei, den Grundstein für eine praktisch anwendbare planetare Verteidigungsstrategie zu legen. Ereignisse wie die Tunguska-Explosion oder der Einschlag des Tscheljabinsk-Asteroiden können dadurch bei rechtzeitiger Entdeckung des herannahenden Himmelskörpers zukünftig hoffentlich verhindert werden.

Die europäische Hera-Sonde soll überprüfen, ob und wie stark der Aufprall von DART den Asteroiden Dimorphos von seiner Bahn abgelenkt hat. © ESA

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