Ricarda Nebling arbeitet derzeit am Paul Scherrer Institut und der ETH Zürich an ihrer Promotion im Fachbereich Physik, die sich mit der Algorithmenentwicklung für ein Mikroskop in der Halbleiterforschung befasst. Aus Interesse an der Philosophie ist sie gemeinsam mit dem an der Universität Bremen lehrenden Philosoph Prof. Dr. Dr. Norman Sieroka dem von OHB ins Leben gerufenen Konsortium zum Thema Geoengineering beigetreten und untersucht, wie Framing die Klimadebatte beeinflussen könnte. Was Framing eigentlich ist und welche Rolle das Thema für die Kommunikation von Wissenschaft allgemein und insbesondere für die Kommunikation über den Klimawandel und Geoengineering bedeutet, erklärt sie im Interview.
Warum ist es schwierig, über Klimawandel und Geoengineering zu kommunizieren?
Ricarda Nebling: Ich glaube, man muss das trennen: Ich denke, es ist einfacher über den Klimawandel zu kommunizieren als über Geoengineering. Vom Klimawandel haben mittlerweile die meisten Menschen gehört und haben einen Anknüpfungspunkt. Die individuellen Wissensstände sind in der Regel aber sehr unterschiedlich, das muss man berücksichtigen. Als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler muss man aufpassen, dass man sich nicht in Fachbegriffen oder zu komplizierten Erklärungen verliert, sondern eine gemeinsame Basis für die Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit findet. Häufig ist das eine große Hürde, weil diese Art der Kommunikation für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht zum Alltag gehört. Es ist aber enorm wichtig, diese Hürde zu nehmen, da etwas wie der Klimawandel uns alle angeht.
Gilt das auch für das Thema Geoengineering?
Auf jeden Fall! Und beim Thema Geoengineering kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Geoengineering ist schon ein Fachwort. Ich glaube, wenn man auf der Straße Menschen danach fragen würde, wüssten die meisten überhaupt nicht, was man sich darunter vorstellen muss. Man muss also zunächst einmal den Begriff erklären: Was ist Geoengineering überhaupt? Worum geht es dabei? Und warum ist das Thema für uns alle relevant? Erst danach kann man anfangen, das Thema tiefergehend zu diskutieren.
Geoengineering ist schon ein Fachwort. Ich glaube, wenn man auf der Straße Menschen danach fragen würde, wüssten die meisten überhaupt nicht, was man sich darunter vorstellen muss.
Selbst wenn man das Thema erklärt, stehen viele Menschen Geoengineering ablehnend gegenüber. Inwieweit hängt das auch mit der Begrifflichkeit an sich zusammen?
Es gibt eine große Debatte über den Begriff des Geoengineerings. Das Wort impliziert ja, dass wir unsere Umwelt und die ganze Erde an unsere Bedürfnisse anpassen können, sofern wir nur die richtigen Technologien dazu entwickeln. Ob wir das auch tun sollten, wird dabei ausgeklammert. Ich denke, die meisten Menschen sind generell dafür, die Folgen des Klimawandels abzumildern und auch bereit, dafür womöglich auch technische Mittel einzusetzen, stehen dem Begriff Geoengineering aber trotzdem skeptisch gegenüber.
Was bedeutet der Begriff Framing in diesem Zusammenhang?
Framing ist auch ein Fachbegriff und meint, dass die Art, wie wir Dinge beschreiben und welche Analogien wir dafür benutzen, Einfluss darauf hat, wie Sachverhalte wahrgenommen werden. Zum Beispiel konnte man in einer Studie zeigen, dass Menschen dem Entfernen von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre mit technischen Mitteln positiver gegenüberstehen, wenn man die Methode als eine Art künstlichen Baum schreibt, also eine Analogie aus der Natur benutzt, als wenn man versucht, die benötigten Maschinen genauer zu erklären.
Welche Bedeutung hat Framing für die Wissenschaft?
Ich denke, außerhalb der Sozial- und Kommunikationswissenschaften können nur wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etwas mit dem Begriff Framing anfangen. Viele kennen aber den Nutzen und Einfluss von Analogien, wenn es darum geht, etwas zu erklären. Etwa, wenn man seiner Familie oder Freunden beschreiben möchte, was man eigentlich die ganze Zeit auf der Arbeit oder bei einem speziellen Hobby macht. Da stößt man schnell mal an eine Grenze, an der man Dinge vereinfachen und Analogien finden muss, um etwas zu erklären, und sie dadurch manchmal auch auf gewisse Weise verfälscht.
Bedeutet das, dass Framing vor allem bei komplexen Themen eine Rolle spielt?
Ich denke, je unterschiedlicher die Wissensbasis ist, desto mehr spielt Framing eine Rolle. Dafür muss das Thema nicht einmal besonders komplex sein. Es reicht, dass ein Gesprächspartner deutlich weniger darüber weiß als der andere. Im Alltag sind wir ständig mit Analogien konfrontiert. Analogien helfen uns, Dinge zu begreifen und zu lernen. In der Schule lernen wir so ziemlich alles über Analogien. Zwei Äpfel plus ein Apfel sind drei Äpfel. Und irgendwann versteht man dann, dass man die Addition nicht nur auf Äpfel, sondern auch auf Birnen, Menschen und sogar auf abstrakte Dinge anwenden kann. Aber gerade bei Themen wie dem Klimawandel und auch Geoengineering, die extrem komplex sind, muss für viele Aspekte auf Analogien oder Vereinfachungen zurückgegriffen werden, um sie zu erklären. Das Framing hat dadurch einen Einfluss darauf, wie wir uns in der Diskussion positionieren.
Ich denke, je unterschiedlicher die Wissensbasis ist, desto mehr spielt Framing eine Rolle. Dafür muss das Thema nicht einmal besonders komplex sein. Es reicht, dass ein Gesprächspartner deutlich weniger darüber weiß als der andere.
Grundsätzlich ist die Wissenschaft ja um Objektivität bemüht, aber ist es überhaupt möglich, vollkommen objektiv zu sein?
Natürlich bemüht sich die Wissenschaft, möglichst objektiv zu sein, aber vollkommene Objektivität ist schlichtweg nicht möglich. Wir alle werden von unserem sozialen und kulturellen Umfeld beeinflusst. Und auch jede Forschungsinstitution ist ein eigener Mikrokosmos. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen mit verschiedenen Hintergründen zu einem Thema forschen und die einzelnen Aspekte eines Themas von möglichst vielen unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet werden.
Und was bedeutet das für die Kommunikation von Wissenschaft?
Ich glaube, die Vermittlung von Wissen funktioniert besonders gut, wenn man einen Anknüpfungspunkt findet, der die Menschen direkt betrifft. Bilder von abschmelzenden Polkappen und verhungernden Eisbären werden zwar häufig genutzt, um den Menschen die Bedrohung durch den Klimawandel zu verdeutlichen, aber für uns in Europa sind Eisbären und die Polkappen weit weg. Trotzdem betrifft uns der Klimawandel auch und zwar ganz akut. Deshalb ist es wichtig, Anknüpfungspunkte zur Lebensrealität der Menschen zu finden und diese ist natürlich individuell verschieden. Ein Klimaskeptiker, den auch das hundertste Bild von zusammenbrechenden Gletschern kalt lässt, fängt vielleicht an umzudenken, wenn vor seiner Haustür der Wald brennt oder einheimische Obstsorten nicht mehr verfügbar sind.
Kann die Wissenschaft es denn leisten, diese Anknüpfungspunkte zu finden?
In meinen Augen ist das nicht Aufgabe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern Aufgabe der Wissenschaftskommunikation. Die Wissenschaft muss aber dafür sorgen, dass eine fundierte Datengrundlage für die Kommunikation zur Verfügung steht. Wichtig ist auch, dass die Menschen verstehen, wie Wissenschaft funktioniert. Es wird erwartet, dass die Wissenschaft Fakten liefert. Fakten sind aber etwas, das menschengemacht ist, schon der Definition nach. Fakten sind nie in Stein gemeißelt, sondern spiegeln den aktuellen Wissensstand wieder. Das ist etwas, das vielen Menschen nicht bewusst ist und daraus resultiert ein falsches Verständnis von Wissenschaft.
Wichtig ist auch, dass die Menschen verstehen, wie Wissenschaft funktioniert. Es wird erwartet, dass die Wissenschaft Fakten liefert. Fakten sind aber etwas, das menschengemacht ist, schon der Definition nach. Fakten sind nie in Stein gemeißelt, sondern spiegeln den aktuellen Wissensstand wieder.
Spielt es beim Framing eine Rolle, wer eine Botschaft absendet?
Nicht direkt. Beim Framing geht es in erster Linie um Begrifflichkeiten und den Kontext. Allerdings spielt der Absender einer Botschaft natürlich eine Rolle für die Wahrnehmung beim Empfänger. Ich bin eher geneigt, Menschen zu glauben, mit denen ich mich identifizieren kann, oder die ich als besonders kompetent wahrnehme. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Wichtig ist aber, dass wir unser Bewusstsein dafür schärfen. Wenn wir gut informiert sein wollen, müssen wir auf verschiedene Quellen zurückgreifen. Außerdem ist es wichtig, den Hintergrund der Absender zu kennen. Eine ölfördernde Firma wird in der Klimadebatte andere Argumente anführen als Greenpeace, und beide können für mich als Empfänger relevant sein.
Welche Möglichkeiten gibt es, Menschen auf diese Problematik aufmerksam zu machen?
Der wichtigste Punkt ist entsprechende Aufklärung. Schon in der Schule sollte Medienkompetenz vermittelt werden – und Wissenschaftskompetenz. Dass es wichtig ist, zu verstehen, dass sich Fakten und unser Erkenntnisstand mit der Zeit verändern, hat sich auch in der Pandemie gezeigt. Jedes Mitglied einer Gesellschaft sollte dazu in der Lage sein, sich selbstständig und umfassend zu informieren, darauf basiert ja auch die Idee unserer Demokratie.
Gibt es auch eine Möglichkeit, Framing gezielt einzusetzen, um möglichst viele Menschen zu erreichen?
Ich denke, ein guter Weg wäre es, für ein und denselben Sachverhalt mehrere Analogien zu finden und damit verschiedene Erklärungsansätze anzubieten. Wenn man sich auf eine einzige Erzählart beschränkt, erreicht man nur einen bestimmten Adressatenkreis. Im schlimmsten Fall könnte jemand das Framing ausnutzen und etwas extra so gruselig schildern, dass eine gute Lösung für die Klimakrise verworfen wird, um eigene Interessen dieser Person oder Gruppe zu fördern. Ohne Framing geht es wohl nicht. Auch weil nicht alle Menschen auf dem gleichen Wissensstand sind und man gewisse Analogien zur Vermittlung braucht. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen über das Thema Framing informiert sind. Aufklärung ist enorm wichtig. Auch, um den Menschen in einer Debatte nicht ihre Mündigkeit abzusprechen und sie zu ermuntern, sich vielfältig zu informieren, bevor sie sich eine Meinung bilden.