Montage des Venustransits am 6. Juni 2012. Nach einer Hypothese von Dr. Michael Way ist es aber nicht die Nähe zur Sonne, die die Venus heute zu einem lebensfeindlichen Planeten macht. © NASA / SDO

"Ein Orbiter würde nicht ausreichen"

Astrophysiker Dr. Michael Joseph Way vom Goddard Space Flight Center der NASA über die Klimahistorie der Venus und die Notwendigkeit weiterer Landemissionen

Dr. Michael Joseph Way ist leitender Wissenschaftler am Goddard Institute of Space Studies der NASA. Sein aktuelles wissenschaftliches Interesse gilt unter anderem der Modellierung von Planetenatmosphären. Zu seinen jüngsten Arbeiten gehört die Simulation der klimageschichtlichen Entwicklung der Venus. In seinen Forschungsarbeiten zu diesem Thema stellte er die Hypothese auf, dass die Venus nicht immer der lebensfeindliche Ort war, als der sie heute gilt, sondern in der Vergangenheit ein viel gemäßigteres Klima aufwies. Im Interview mit dem OHB-Redaktionsteam erklärt er, warum es noch viel über die Venus zu erfahren gibt und warum er auf weitere Landemissionen hofft.

Marco Fuchs, der Vorstandsvorsitzende von OHB, sagte kürzlich in einem Interview, dass er die Venus für einen sehr interessanten Planeten hält, der aus Forschungssicht möglicherweise sogar noch spannender ist als der Mars. Würden Sie dem zustimmen?

Dr. Michael Way: (lacht) Ich denke, dass alle Planeten auf ihre eigene Weise interessant sind. Insofern würde ich das offen lassen. Alle Planeten können uns meiner Meinung nach Neues zeigen.

Was zum Beispiel?

Nun, das Interessante an der Venus ist, dass sie eine ähnliche Größe und Dichte – und natürlich auch eine ähnliche Masse – wie die Erde hat, dafür aber durch geologische Prozesse gekennzeichnet ist, die sich von denen der Erde deutlich unterscheiden. Die geologischen Prozesse auf der Venus sind in mancher Hinsicht dem, was wir auf dem Mars beobachten, relativ ähnlich, in anderer Hinsicht jedoch auch ganz anders. So ist die Oberfläche des Mars beispielsweise seit weit über 3 Milliarden Jahren geologisch tot, während die Oberfläche der Venus mindestens bis vor 750 Millionen Jahren geologisch noch recht aktiv war. Auch heute ist sie in gewisser Weise noch geologisch aktiv. Damit ist die Venus der Erde, die geologisch natürlich noch sehr aktiv ist, doch wiederum auf interessante Weise ähnlich. Im Zuge der sogenannten vergleichenden Planetologie lässt sich viel Interessantes über den Vergleich Erde-Venus gegenüber dem Vergleich Erde-Mars sagen.

Wenn beide Planeten auf ihre eigene Weise interessant sind, warum bekommt dann der Mars im Gegensatz zur Venus viel häufiger Besuch von Orbitern und Landemissionen?

Oh, das ist sehr einfach. (lacht) Es liegt einfach daran, dass es viel, viel einfacher ist, die Marsoberfläche zu erreichen und dort Messungen durchzuführen. Das, was wir auf dem Mars tun, zum Beispiel mit dem Curiosity-Rover oder im Rahmen der Pathfinder-Mission, würde auf der Venus zehn oder sogar hundertmal so viel Geld kosten.

Warum?

Wegen der Bedingungen, die auf der Venus herrschen. Die Oberfläche der Venus ist eine völlig lebensfeindliche Umgebung. Darüber hinaus gilt bei der NASA das Gebot, dem Wasser zu folgen. Wir wissen, dass es auf der Marsoberfläche Wassereis gibt. Wir sehen Beweise dafür, dass dieses Wassereis manchmal schmilzt. Wir beobachten Indizien für Sublimation. Wir sehen, wie sich die Größe der Polarkappen mit den Jahreszeiten ändert. Durch die Ausrichtung der Rotationsachse des Mars ergibt sich natürlich, dass es je nach Breitengrad im Verlauf eines Jahres unterschiedliche Mengen an Sonnenlicht gibt. Auf der Venus hingegen gibt es nur sehr wenig Wasser. Auf der Oberfläche befindet sich gar kein Wasser und in der Atmosphäre existieren nur winzige Spuren. Wenn wir also dem Wasser folgen, liegt es daher näher, unsere Aufmerksamkeit auf den Mars zu richten.

Warum folgen wir denn dem Wasser? Um Spuren von Leben zu finden?

Ja, wir glauben, dass Wasser, dass flüssiges Wasser für die Entstehung von Leben erforderlich ist.

Heißt das, dass weitere Venus-Missionen aufgrund von Wassermangel nicht in Frage kommen?

Nein, das heißt es ganz bestimmt nicht! Wir wollen die geologischen Prozesse und – was noch wichtiger ist – die klimageschichtliche Entwicklung besser verstehen. Letzteres insbesondere, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die Venus in der Vergangenheit eine Periode erlebt hat, in der das Klima viel gemäßigter war und dem der heutigen Erde mehr ähnelte. Das können wir nur erfahren, wenn im Rahmen mehrerer Missionen dort verschiedene grundlegende Messungen durchgeführt werden.

Ob die Venus in der Vergangenheit eine Periode erlebt hat, in der das Klima viel gemäßigter war und dem der heutigen Erde mehr ähnelte, können wir nur erfahren, wenn im Rahmen mehrerer Missionen dort verschiedene grundlegende Messungen durchgeführt werden.

Welche Art von Messungen?

Wir müssen mehr über das Edelgasvorkommen auf der Oberfläche des Planeten erfahren. Wie häufig kommen Sauerstoff-, Stickstoff- und Kohlenstoffisotope vor? Aber darüber hinaus müssen wir auch Messungen in den obersten Schichten der Atmosphäre durchführen. Wie sehen dort die Gasverluste aus? Was ist die Ausgasungsgeschichte des Planeten? Wir müssen nicht nur die Quellen, sondern auch die Senken verstehen. Das würde Aufschluss über die Wassermengen geben, die in der Vergangenheit auf dem Planeten vorhanden waren. Darüber hinaus müssten wir besser verstehen, welche Rolle das Magnetfeld bei Atmosphärenverlusten spielt. Es heißt immer wieder, dass das Magnetfeld die Erde vor dem Verlust ihrer Atmosphäre schützt. Aber wir haben einen unmittelbaren Nachbarn, der zwar kein nennenswertes Magnetfeld besitzt, trotzdem aber eine Atmosphäre hat, die fast hundertmal so dicht ist wie die der Erde.

Um welchen Nachbarn handelt es sich dabei?

Natürlich um die Venus! In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ist viel über die Verlustprozesse atmosphärischer Bestandteile und die Rolle von Magnetfeldern bei diesen Prozessen geforscht worden. Und um sie vollständig zu verstehen, müssen wir auch die Verluste der Erdatmosphäre erforschen. Vermutlich verstehen wir die Verlustprozesse des Mars, der ebenfalls kein nennenswertes Magnetfeld hat, besser als die der Erde. Wir müssen aber die Verlustprozesse aller drei Planeten - Venus, Erde und Mars - erforschen. Die Venus verfügte in ihrer frühen Geschichte wahrscheinlich über ein Magnetfeld, aber wir haben keine Ahnung, warum sie heute keins mehr hat.

Künstlerische Darstellung der Interaktion des Sonnenwindes mit der Atmosphäre der Venus. Welche Rolle Magnetfelder bei Atmosphärenverlusten spielen, ist noch weitgehend unbekannt. © ESA / C. Carreau

Aber wir wissen doch schon ein einiges über die Venus. Wie wurden diese Informationen gesammelt?

Wir wissen nicht wirklich viel. Damit meine ich, dass die lückenhaften Informationen, die wir über die Venus haben, von den wenigen Missionen gesammelt wurden, die den Planeten besucht haben. Die Russen hatten natürlich die erfolgreichsten Raumfahrtprogramme mit dem Ziel Venus. Sie hatten mehrere erfolgreiche Landungen und haben auf der Oberfläche Messungen einiger Edelgase durchgeführt, aber wir brauchen genauere Messungen, bei denen alle Edelgase erfasst werden.

Aber einen Lander zur Venus zu bringen, ist keine leichte Aufgabe. Selbst die erfolgreichen russischen Missionen überlebten angesichts der auf der Oberfläche herrschenden Bedingungen nicht sehr lange. Haben wir heute die Mittel, um robustere Geräte zu bauen?

Nun, wir haben immer noch keine bewährte Technologie, um die Kühlsysteme zu bauen, die auf der Oberfläche der Venus notwendig wären. Die russischen Lander waren nur für eine Funktionsdauer von ein paar Stunden ausgelegt. Und diese Designvorgaben haben sie auch erfüllt. Alle Messungen wurden sehr schnell durchgeführt, bevor die Bathysphäre, in der sie eingeschlossen waren, zu heiß wurde und die Elektronik versagte. Die NASA arbeitet an einer Elektronik, die unter hohen Temperaturen und Druckbedingungen, wie sie auf der Venus vorherrschen, funktioniert. Aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Wie lange könnte eine solche verbesserte Ausrüstung unter den bestmöglichen Bedingungen überleben?

Nun, es kommt darauf an, was man erreichen will. Es gibt einige Technologien, die auf Langlebigkeit unter den Oberflächenbedingungen der Venus ausgelegt sind. Eine der bisher bedeutendsten dieser Technologien – sie trägt den Namen LLISSEE – wird am Glenn Research Center der NASA entwickelt. Die Idee ist, mit Wetterstationen, die auf der Oberfläche ausgesetzt werden, die Temperatur und den Druck und im Idealfall auch die Windgeschwindigkeit zu messen. Solche Instrumente würden Hunderte von Stunden, vielleicht sogar bis hin zu einem Monat überleben. Sie müssten natürlich mit einer hochtemperaturbeständigen Elektronik und Batterietechnologie ausgerüstet werden, solche werden aktuell von der NASA entwickelt. Diese Wetterstationen würden an verschiedenen Orten auf dem Planeten, idealerweise auch auf verschiedenen Höhen aufgestellt werden. Damit könnten wir sehr interessante Daten über den Planeten sammeln. Das wäre ein mögliches Projekt. Darüber hinaus wird am Glenn Research Institute der NASA an einem Missionskonzept mit dem Namen SAEVe gearbeitet. Entwickelt wird ein Seismometer, das einige hundert Tage funktionieren würde. Damit könnte man seismische Messungen auf der Oberfläche durchführen, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob es heute noch geologische Aktivitäten gibt, die über die im Planeteninneren ablaufenden Prozesse Aufschluss geben.

Und mit diesen Informationen könnte man dann genauere Simulationen durchführen?

Nun, wir könnten mit diesen Daten die heutigen Modelle der atmosphärischen Dynamik der Venus verfeinern. Wir wissen nur wenig über die unteren Schichten der Venus-Atmosphäre. Wir haben lediglich ein paar Daten über die atmosphärische Dichte und die Temperatur, die wir den Venera-Sonden und der Pioneer-Venus-Mission der NASA aus den Siebzigern verdanken. Wir hätten jedoch gerne die Möglichkeit, diese älteren Missionen zur Oberfläche der Venus zu erweitern, um Schlüsselmessungen in Bezug auf die Edelgase durchzuführen. Ich glaube aber, dass wir noch ziemlich weit davon entfernt sind, solche Technologien zu entwickeln. Zumindest kurzfristig wird es weiterhin darum gehen, kurzlebige Lander zu entwickeln, die höchstens ein paar Stunden funktionsfähig bleiben.

Zumindest kurzfristig wird es weiterhin darum gehen, kurzlebige Lander zu entwickeln, die höchstens ein paar Stunden funktionsfähig bleiben.

Brauchen wir wirklich eine Landemission, um die relevanten Parameter zu ermitteln? Würde ein Orbiter nicht ausreichen?

Nein, ein Orbiter würde nicht ausreichen. Es gab schon Missionsvorschläge für einen Satelliten, der etwa hundert Kilometer – bis unter die sogenannte Homopause – in die Atmosphäre eintauchen würde. In diesem Bereich kann man davon ausgehen, dass die Atmosphäre gut durchmischt ist. Der Satellit könnte auf dieser Höhe innerhalb weniger Minuten aufschlussreiche Daten sammeln. Aber es gibt bei diesem Ansatz viele Unsicherheiten, so dass ich glaube, dass es sinnvoller wäre, auf der Oberfläche der Venus Messungen vorzunehmen. Man müsste diese Messungen natürlich mehrmals wiederholen, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen.

In Ihrem jüngsten wissenschaftlichen Artikel schreiben Sie, dass die Venus in ihrer frühen Geschichte möglicherweise habitabel war. Heißt das also, dass sie auch Leben beherbergt haben könnte?

Nun, in dem besagten Artikel habe ich einen Ansatz der vergleichenden Planetologie verfolgt. Ich versuche, aus dem, was wir über die klimageschichtliche Evolution der Erde wissen, auf die frühe klimageschichtliche Entwicklung der Venus zu schließen. Und zumindest zeigen unsere Modelle, denen natürlich einige Annahmen zugrunde liegen, dass früh in der Entwicklungsgeschichte der Venus ziemlich günstige Bedingungen, ähnlich denen auf der Erde, geherrscht haben könnten. Und wenn sich diese günstigen Bedingungen für etwa eine Milliarde Jahre oder noch länger gehalten haben, wären das Umstände gewesen, die die Entstehung von Leben ermöglicht hätten.

Und wenn dieses Leben wirklich entstanden sein sollte, könnten wir dann heute noch Spuren davon finden?

Das ist eine wirklich gute Frage. Nun, ich würde sagen, dass wir über dieses Problem noch nicht genug nachgedacht haben. Modelle wie meine werden nämlich in diesem Bereich noch nicht lange benutzt. Es wurde über diese Fragen spekuliert, aber niemand hatte die Berechnungen jemals tatsächlich durchgeführt. Ein Ansatz, über den gesprochen wird, ist die Möglichkeit, in den Wolken der Venus nach Leben zu suchen. Auf der Erde sprechen wir ständig über extremophile Lebensformen. Wir nehmen diese Lebensformen und stellen uns vor, dass sie auch unter den extremen Bedingungen auf der Venus oder dem Mars existieren könnten. Aber man darf nicht vergessen, dass diese Lebensformen sich hier auf der Erde über einen Zeitraum von Milliarden von Jahren entwickelt haben. Bei uns auf der Erde hat das Leben Milliarden von Jahren Zeit gehabt, um jede noch so kleine ökologische Nische zu füllen. Wenn also die Venus Milliarden von Jahren lang lebensfreundliche Bedingungen aufgewiesen hat, hätte sich auch dort Leben entwickeln können, das jede mögliche ökologische Nische gefüllt hat. Die Wolken sind nur ein möglicher Lebensraum. Es ist auch vorgeschlagen worden, unter der Oberfläche der Venus nach Leben zu suchen. Aber ich denke, dass hier fälschlicherweise angenommen wird, dass die Temperatur immer weiter sinkt, je tiefer man sich unterhalb der Oberfläche der Venus befindet. Das ist aber definitiv nicht der Fall.

Wenn also die Venus Milliarden von Jahren lang lebensfreundliche Bedingungen aufgewiesen hat, hätte sich auch dort Leben entwickeln können, das jede mögliche ökologische Nische gefüllt hat. Die Wolken sind nur ein möglicher Lebensraum.

Könnte das Leben auf der Venus auch von anderswo im Universum stammen? Zum Beispiel von der Erde?

Es gibt einen Austausch von Masse zwischen den Planeten, so dass es möglich – wenn auch nicht sehr wahrscheinlich – ist, dass extremophile Lebewesen von der Erde gekommen sind und sich auf der Venus ausgebreitet haben. Oder auf dem Mars. Das ist alles denkbar. Gleichwohl halte ich es für wahrscheinlicher, dass sich das Leben auf der Venus eigenständig entwickelt hat und sich in diesen extremen Umgebungen etabliert hat. Oberste Aufgabe wäre jedoch herauszufinden, ob es flüssiges Wasser auf der Oberfläche der Venus gab, wie lange dieses Wasser vorhanden war und über welchen Zeitraum es sich verflüchtigte. Wenn wir das herausfinden und damit die Ergebnisse unsere Modelle stützen, die besagen, dass es lange Zeit flüssiges Oberflächenwasser auf der Venus gab, könnten wir immer noch zum Planeten zurückkehren, um herauszufinden, ob es Anzeichen von Leben gibt.

Es gibt einen Austausch von Masse zwischen den Planeten, so dass es möglich – wenn auch nicht sehr wahrscheinlich – ist, dass extremophile Lebewesen von der Erde gekommen sind und sich auf der Venus ausgebreitet haben. Oder auf dem Mars.

Zeigen Ihre Simulationen, was die Venus von einem Planeten mit mildem Klima in ein Treibhaus ohne Wasser verwandelt hat?

Nun, es gab unter Wissenschaftlern einige Spekulationen, dass die Venus in ihrer frühen Geschichte gemäßigte Bedingungen aufwies und durch die Zunahme der Strahlungsleistung unserer Sonne in den höllischen Zustand versetzt wurde, in dem sie sich heute befindet. Diese Spekulationen basieren auf dem, was wir über die Erde wissen. Es gibt da das Paradoxon der schwachen jungen Sonne: Wenn man die heutige Erdatmosphäre nimmt und sie auf die Erde, so wie sie vor vier Milliarden Jahren bestand, überträgt, dann erhält man eine Erde, die eine Eiswelt ist, denn die Strahlungsleistung der Sonne war damals um 20 bis 25 Prozent geringer als heute. Die Sonne hat im Laufe der Jahre allmählich an Helligkeit zugenommen, und der Grund, warum die Erde sich nicht die ganze Zeit in einem gefrorenen Zustand befand, könnte mit der atmosphärischen Veränderung in diesem Zeitraum zusammenhängen. Es gab also diese frühen Vorstellungen, dass auf der Venus gemäßigte Bedingungen geherrscht haben müssen, da Strahlungsleistung unserer Sonne nicht immer auf dem heutigen Niveau war.

Nach Ihren Simulationen ist das aber nicht der Fall?

Nein, unsere Simulationen zeigen, dass dies definitiv nicht der Fall ist. Wenn es auf der jungen Venus gemäßigte Bedingungen gegeben hat, wären diese trotz der Zunahme der Sonnenstrahlung erhalten geblieben. Wir stellen aber fest, dass die Oberfläche der Venus ziemlich jung ist. In den letzten 750 Millionen Jahren haben sich etwa 80 Prozent der Planetenoberfläche neu gebildet. Und durch dieses Phänomen hat sich wahrscheinlich auch das Klima des Planeten verändert. In der Erdgeschichte gab es ähnliche Ereignisse, wie beispielsweise die Entstehung des Sibirischen Trapps oder des Dekkan-Trapps aufgrund vulkanischer Aktivität. Dazu kommen natürlich auch große Impaktoren wie der Chicxulub-Impaktor und dergleichen. Aber wir hatten doch in gewisser Weise das Glück, dass sich nicht mehrere dieser magmatischen Großprovinzen, bei denen es sich im Grunde genommen um Vulkanismus gewaltiger Größenordnungen handelt, gleichzeitig gebildet haben. Aber es gibt keinen Grund, warum das nicht passieren könnte.

Wenn sich also zu einem bestimmten Zeitpunkt in der erdgeschichtlichen Entwicklung mehrere magmatische Großprovinzen gleichzeitig gebildet hätten, würde die Erde dann heute wie die Venus aussehen?

Nun, ein solches Ereignis, bei dem riesige Mengen an Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre freigesetzt werden, würde eine Klimakatastrophe auslösen. Der Planet würde in einen unkontrollierbaren Treibhauszustand geraten, bei dem es zu einem Wasserverlust kommen würde. Und während das Wasser verloren geht, schwächt sich die subduzierende Plattentektonik ab, die für den Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf auf der Erde sorgt und die Atmosphäre im Gleichgewicht hält. Das Ergebnis wäre ein stagnierender Zustand, bei dem es keine Kreisläufe flüchtiger Stoffe mehr gibt. In einem solchen Fall entsteht ein einseitiger Prozess, bei dem es nur noch Ausgasung gibt. Durch die fehlende Subduktion gibt es keine Möglichkeit mehr zur Aufnahme von Gasen aus der Atmosphäre, so wie dieses heute auf der Erde geschieht. Und deshalb ist die Venus in den Zustand geraten, in dem sie sich heute befindet.

Sie sprechen über den Klimawandel und die Rolle des Kohlenstoffdioxids bei der Entstehung eines unkontrollierbaren Treibhauszustands. Ist es daher möglich, dass das, was wir auf der Venus beobachten, uns auch einen Blick in die Zukunft der Erde erlaubt?

Ich glaube, dass es sehr schwierig ist, diese beiden Planeten in diesem Sinne zu vergleichen, denn der Zustand, in dem sich die Venus heute befindet, ist über Millionen von Jahren entstanden. Auf der Erde haben wir sehr ernste kurzfristige Probleme zu bewältigen, aber es müsste etwas viel Katastrophaleres passieren, um einen mit der Venus vergleichbaren Zustand entstehen zu lassen. Unser Planet befindet sich in einem sehr sensiblen Gleichgewichtszustand, und wir tun einige sehr schreckliche Dinge, aber um in den Zustand der Venus zu gelangen, bedarf es eines sehr großen geologischen Prozesses. Es ist also nicht direkt vergleichbar. Es gibt gleichwohl einige Lehren für uns, was die Entwicklung des Klimas betrifft, wenn große Mengen an Kohlenstoffdioxid freigesetzt werden, aber wir sprechen von Größenordnungen, die weit über die Mengen an Kohlenstoffdioxid hinausgehen, die zurzeit in die Atmosphäre gelangen. Es ist also ein schwieriger Vergleich. Ich weiß, dass dieser Vergleich gerne gemacht liegt, da er auf den ersten Blick naheliegend erscheint. Aber das, was sich auf der Venus ereignet hat, ist nicht mit dem vergleichbar, was sich gerade auf der Erde abspielt.

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