Falschfarbendarstellung des Merkur. Wird der innerste Planet unseres Sonnensystems bald das Traumziel von Weltraumtouristen? © NASA

Exploration des Weltalls Teil 1: Sonne und Merkur

Machen wir in Zukunft Urlaub auf fremden Planeten?

Nordrhein-Westfalen hat die Niederlande, Schleswig-Holstein hat Dänemark und Bayern hat Österreich. Die Rede ist vom beliebtesten Reiseziel für einen Kurzurlaub. Nach nur kurzer Anreisezeit sehen die Straßenschilder anders aus und die Menschen sprechen eine andere Sprache – oder im Fall von Österreich zumindest einen anderen Dialekt. Auf den Weltraum übertragen ist das prädestinierte Reiseziel für einen Kurzurlaub für Bewohner des Planeten Erde der Mond. Unter Astronauten gilt dieser als „Traumziel“, obwohl er weder mit Palmen noch mit unberührten Strände aufwarten kann. Wobei Sand auf dem Mond in rauen Mengen vorhanden ist, in einer besonders feinkörnigen, elektrostatisch aufgeladenen, scharfkantigen Variante. Ähnlich wie die grenznahen Urlaubsregionen ist der Mond im Vergleich zu den übrigen Himmelskörpern in unserem Sonnensystem trotz seiner wenig paradiesischen Umgebung allerdings von Astronauten überlaufen und mit den Überbleibseln menschlicher Aufenthalte übersät. Was lediglich bedeutet, dass überhaupt schon einmal Menschen auf seiner Oberfläche waren. Die allerdings haben alle bloß Englisch gesprochen und zwar diverse wissenschaftliche Instrumente, aber keine fremdartigen Straßenschilder aufgestellt. Für Reisen „fernab der ausgetretenen Pfade“ bleiben in unserem Sonnensystem aber noch sieben andere Planeten mit ungefähr 200 anderen Monden, sowie unzählige Asteroiden und andere Kleinkörper, die noch nie ein Mensch betreten hat.

Welche anderen Planeten gibt es?

Die Frage, welche anderen Planeten es gibt und wie es auf diesen aussieht, stellt sich die Menschheit bereits seit Jahrtausenden. Antworten wurden zunächst durch freiäugige Beobachtungen, dann mit immer leistungsfähigeren Bodenteleskopen und schließlich seit den 1960er-Jahren mit Weltraumteleskopen, Sonden und astronautischen Missionen gesucht. Wobei es astronautische Missionen bisher nur zum Mond gegeben hat. Warum ist das so? Könnten wir nicht auch zu anderen Planeten fliegen? Oder gleich zur Sonne?

Die Sonne: "Ich will auf jeden Fall in die Sonne!"

Alle, die noch dem geozentrischen Weltbild anhängen, müssen jetzt ganz stark sein: Die Sonne, nicht die Erde, ist das Zentrum unseres Sonnensystems, um das alle anderen Planeten, Monde und Kleinkörper kreisen. Und: Die Sonne ist ein durchschnittlich großer Stern, der sich mit Milliarden anderen Sternen in einer scheibenförmigen Galaxie, der Milchstraße, befindet.

Dafür ist die Sonne in unserem Sonnensystem konkurrenzlos das dominierende Objekt. 99,86 % der Masse des Sonnensystems entfallen auf die Sonne. Und sie ist unvorstellbar heiß. In ihrem Inneren, wo unter Energieabgabe die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium stattfindet, werden Temperaturen von über 15 Millionen Grad Celsius erreicht. An der Oberfläche ist die Temperatur deutlich geringer, beträgt aber immer noch 5.500 Grad Celsius. Soviel zum Urlaub „in der Sonne“.

Sonnensonden

Trotz der extremen Hitze und intensiven Strahlung in Sonnennähe wurden bereits mehrere Sonden zur Sonne geschickt, die erste, Helios 1, am 10. Dezember 1974. Mit dieser und ihrer im Januar 1976 gestarteten Schwestersonde Helios 2 wurden auch die bisher größten Annäherungen an die Sonne, auf etwa 45 Millionen Kilometer, erreicht.

Missionen zur Sonne stellen große Herausforderungen an das Thermalsystem der Sonden. Strategien zur Vermeidung von Überhitzung umfassen eine den Strahlungseinfall vermindernde Formgebung, die Anbringung von Reflektoren und Schutzschilden, den Einbau von leistungsstarken Radiatoren, sowie eine starke Isolierung. Durch eine schnelle Eigenrotation im Sonnenorbit kann zudem eine punktuelle Erwärmung der Sonde vermieden werden.

Am 12. August 2018 startete mit Parker Solar Probe eine Sonnensonde der NASA. Diese soll den Annäherungsrekord der Helios-Sonden brechen und sich der Sonne im Dezember 2024 erstmalig bis auf ungefähr sechs Millionen Kilometer nähern. In diesem Abstand beträgt die Temperatur weit über 1400 Grad. Um dieser extremen Hitze zu widerstehen, trägt die Sonde einen dicken sechseckigen Thermalschutzschild, hinter den die Solarmodule und Antennen zurückgeklappt werden können. Das Ziel der Mission ist die Erforschung der äußeren Atmosphäre der Sonne, der Korona.

Die ESA hat aktuell ebenfalls einen Sonnenorbiter in der Entwicklung. Der Solar Orbiter soll 2020 starten und 2023 in seinen Zielorbit um die Sonne einschwenken. Anschließend soll die Sonde auf einer immer polarer werdenden Umlaufbahn das von der Sonne ausgehende Weltraumwetter untersuchen. Mit OHB Sweden und OHB Italia haben gleich zwei Unternehmen aus der OHB-Gruppe einen Beitrag zu der Mission geleistet: OHB Sweden war für das hochkomplexe Lageregelungssystem und das chemische Antriebssystem der Sonde verantwortlich, während bei OHB Italia mit dem Koronografen METIS (Multi Element Telescope for Imaging and Spectroscopy) ein spezielles Instrument zur Beobachtung der Sonnenatmosphäre entwickelt wurde.

Der Merkur: „Nachts muss es aber abkühlen, sonst kann ich nicht schlafen!“

Der Merkur ist der kleinste, sonnennächste und schnellste Planet in unserem Sonnensystem. Für einen Umlauf um die Sonne benötigt er lediglich 88 Erdentage. Dafür dauert ein Tag auf dem Merkur nicht 24 Stunden wie auf der Erde, sondern ungefähr 1407,5 Stunden, was gut 58 Erdentagen entspricht.

Wie die Erde ist der Merkur ein terrestrischer Planet, das bedeutet, dass er eine feste Oberfläche aufweist, durch die eigene Schwerkraft annähernd zu einer Kugel geformt wurde und überwiegend aus Gestein besteht. Da er keine nennenswerte Atmosphäre besitzt, ähnelt der Merkur in seiner äußeren Erscheinung dem von Einschlagskratern übersäten Erdmond. Sein innerer Aufbau gleicht nach bisherigem Kenntnisstand allerdings dem der geologisch aktiven Erde und obwohl er deutlich kleiner ist, entspricht seine Fallbeschleunigung aufgrund der höheren Dichte mit 3,70 Metern pro Sekunde zum Quadrat in etwa der des Mars. Zum Vergleich: Die Fallbeschleunigung der Erde beträgt 9,81 Meter pro Sekunde zum Quadrat, auf dem Merkur würde ein 80 Kilogramm schwerer Mensch folglich nur 29,6 Kilogramm auf die Waage bringen.

Eigene Monde besitzt der Merkur nicht, eine Theorie besagt sogar, dass der Merkur selbst ein entflohener Mond der Venus ist.

Die fehlende Atmosphäre bedeutet, dass die Sonnenstrahlung nahezu ungefiltert auf der Oberfläche auftrifft und führt zudem dazu, dass die bei Tag aufgenommene Wärme bei Nacht sofort wieder in den Weltraum abgestrahlt wird. Daraus ergeben sich zwischen Tag- und Nachtseite höhere Temperaturunterschiede als auf allen anderen Planeten im Sonnensystem: Während die Tagtemperaturen stellenweise 430 Grad Celsius übersteigen, kühlt es bei Nacht auf unter -170 Grad Celsius ab. Da wird es auch bei geschlossenem Fenster kalt im Schlafzimmer.

Diese Temperaturunterschiede sind gemeinsam mit der intensiven Strahlung der Grund dafür, dass der Merkur der bisher am wenigsten erforschte Planet in unserem Sonnensystem ist. Schon die Beobachtung von der Erde aus ist aufgrund der Nähe zur Sonne schwierig. Auch aus dem Erdorbit lässt sich der Merkur kaum beobachten, da es auch mit Weltraumteleskopen nicht möglich ist, Objekte in unmittelbarer Nähe zur Sonne zu beobachten. Jeder, der an einem sonnigen Tag schon einmal mit einer Lupe ein Feuer angezündet hat, weiß, warum.

Merkursonden

Auch für Raumsonden ist der Merkur nur mit hohem Aufwand erreichbar – und das, obwohl der Planet sich im Schnitt näher an der Erde befindet als die Venus. Da die Sonde in Richtung der Sonne fliegen muss, aber von der Erde startet, die sich mit 30 Kilometern pro Sekunde um die Sonne herum bewegt, muss eine hohe Geschwindigkeitsänderung aufgebracht werden, um in eine elliptische Transferbahn eintreten zu können, die in die Nähe des Merkurs führt. Zudem wird beim Flug (richtiger wäre: „beim Fallen“) in Richtung Sonne die potenzielle Energie der Sonde sukzessive in kinetische Energie umgewandelt, was zu einer ständigen Erhöhung der Fluggeschwindigkeit führt. Wird dies nicht durch Bremsmanöver korrigiert, schießt die Sonde über das Ziel hinaus und fliegt im wahrsten Sinne des Wortes „in die Sonne“.

Ein weiteres Hindernis stellt die fehlende Atmosphäre dar. Im Vakuum fällt eine Feder genauso schnell wie eine Bowlingkugel - und eine Sonde mit Bremsfallschirm genauso schnell wie eine Sonde ohne Bremsfallschirm.

Aufgrund dieser Schwierigkeiten haben bislang nur zwei Raumsonden, Mariner 10 und MESSENGER der NASA, den Merkur besucht, eine weitere, BepiColombo der ESA und der japanischen Weltraumorganisation JAXA, ist gestartet und wird den Merkur voraussichtlich am 2. Oktober 2020 das erste Mal passieren.

Mariner 10

Die Sonde Mariner 10 der NASA startete am 3. November 1973 und passierte zwischen dem 29. März 1974 und dem 16. März 1975 dreimal den Merkur. Insgesamt wurden von Mariner 10 45 % der Merkuroberfläche in 9000 Einzelbildern fotografisch erfasst.

MESSENGER

Als zweite NASA-Sonde gelangte MESSENGER (MErcury Surface, Space ENvironment, GEochemistry and Ranging) zum Merkur, diese Sonde war zugleich auch der erste und bislang letzte Merkur-Orbiter. Der Start erfolgte am 3. August 2004, am 18. März 2011 schwenkte die Sonde dann beim vierten Vorbeiflug mit einem ausgedehnten Bremsmanöver in eine Umlaufbahn um den Merkur ein. Aus dem Orbit konnte der Merkur erstmals vollständig kartiert werden. Zudem wurden in ewig dunklen Kratern auf der Merkuroberfläche gefrorenes Wasser und organische Moleküle gefunden.

BepiColombo

Die dritte Merkur-Sonde, die den Namen BepiColombo trägt, ist am 20. Oktober 2018 vom europäischen Startplatz in Kourou, Französisch-Guyana, gestartet. Es handelt sich dabei um eine Kooperation zwischen der ESA und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA. Nach mehreren Swing-by-Manövern an Erde, Venus und Merkur soll die Sonde Ende 2025 in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenken. Auf den Vorbeiflügen und aus dem Orbit heraus sollen verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen vorgenommen werden. So soll die Merkuroberfläche in verschiedenen Spektralbereichen kartographiert und in Bezug auf ihr Höhenrelief untersucht werden. Weiterhin sollen Informationen über den inneren Aufbau des Planeten, sein Schwerefeld und sein Magnetfeld gesammelt werden. Dadurch soll unter anderem geklärt werden, ob der Merkur einen flüssigen oder einen festen Kern besitzt.

OHB auf dem Weg zum Merkur

Mit der BepiColombo-Mission fliegen auch zwei Instrumente von OHB zum Merkur: OHB Italia war in Zusammenarbeit mit der italienischen Weltraumbehörde ASI und dem Instituto di Astrofisica e Planetologia Spaziali (IAPS) maßgeblich an der Entwicklung und Herstellung des SERENA-Instrumentes beteiligt. Bei SERENA handelt es sich um ein aus vier verschiedene Teilchendetektoren bestehendes Kombinationsinstrument, das dazu eingesetzt werden sollen, die Interaktion der Merkuroberfläche mit seiner Exo- und Magnetosphäre anhand von Partikelbewegungen zu analysieren.

Bei der OHB System AG wurde für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit MERTIS ein weiteres Kombinationsinstrument gefertigt. MERTIS ist ein abbildendes Spektrometer zur Bestimmung der mineralogischen Zusammensetzung der Merkuroberfläche, das im Bereich der thermischen Infrarotstrahlung spektral hochaufgelöste Daten aufnehmen soll. Gleichzeitig sollen mit einem Mikroradiometer die Temperatur und thermische Leitfähigkeit der Merkuroberfläche erfasst werden, um eine Temperaturlandkarte zu erstellen.

Diese wird dann zweifelsohne bestätigen, was bereits mehrfach angedeutet wurde: Für einen Abstecher menschlicher Astronauten sind die Temperaturen in Sonnennähe zu extrem. Also kein Urlaub auf dem Merkur, auch nicht in der fernen Zukunft. Aber was ist mit Venus und Mars? Diese sind doch immerhin Nachbarn der Erde.

Mehr dazu im nächsten Teil.


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