Neil Armstrong und Buzz Aldrin sammeln Mondgestein. Ihre mächtigen Raumanzüge verlangsamen jede Bewegung, jeden Handgriff. Ganz hinten steht die Mondlandefähre. Armstrong und Aldrin sind nicht alleine. Auch die Crews der Mondmissionen Apollo 12 bis 17 bewegen sich schwerfällig über den kargen Untergrund des 380.000 Kilometer entfernten Himmelskörpers. Ein Astronaut fährt Rover, ein anderer fotografiert. All diese Beobachtungen – und viele weitere – sind auf dem Kunstwerk „lunar explorers“ (2019) des Künstlers Michael Najjar zu beobachten. Eine 20 Meter breite Version seiner Fotokunst ist seit kurzem im Veranstaltungszentrum des Bremer OHB-Standorts zu entdecken. Im Interview berichtet der Schöpfer des Werkes, wie aus 4000 Originalaufnahmen der Apollo-Missionen eine symbiotische Komposition entstand und auf welche Weise ein Astronautentraining als künstlerische Inspirationsquelle dienen kann.
Wir bei OHB sind selbstverständlich Weltraumfans. Was hat Ihre Begeisterung für die Raumfahrt geweckt?
Michael Najjar: Ich bin mit der Faszination für den Mond aufgewachsen. Als Neil Armstrong 1969 den Erdtrabanten als erster Mensch überhaupt betrat, war ich drei Jahre alt. Die Begeisterung für den Himmelskörper ist bis heute erhalten geblieben. Meiner Leidenschaft habe ich mit der vor sieben Jahren begonnenen Serie „outer space“ Ausdruck verlieren. Dazu gehört auch das Werk „lunar explorers“, das ich im vergangenen Jahr anlässlich des 50. Jahrestags der ersten Mondlandung geschaffen habe. Dieser Moment, als Neil Armstrong als erster Mensch einen Fuß auf den Mond gesetzt hat, ist einer der essentiellsten Momente in der Geschichte der Menschheit und Teil unserer kollektiven Erinnerung.
Das stimmt. Und wie entstand die Idee für die „lunar explorers“?
Ich hatte vor vielen Jahren die Gelegenheit, an über 4000 Scans zu gelangen, die die Apollo-Astronauten auf ihren Missionen aufgenommen haben. Diese habe ich gesichtet. Mich faszinierte die Vielzahl der wissenschaftlichen Experimente, die auf dem Mond durchgeführt wurden und die der Öffentlichkeit eher unbekannt sind. Mit dem Werk „lunar explorers“ ist eine Komposition entstanden, die die Forschungsarbeit auf dem Mond und die zwölf Moonwalker der sechs Apollo-Missionen feiert. Ich meine, das ist doch eine Erfahrung, die einzigartig ist: Einer von zwölf Menschen zu sein, der jemals einen anderen Himmelskörper betreten hat.
Absolut! Wie wurde dann aus der Idee ein Kunstwerk?
Basierend auf dem originalen Negativmaterial habe ich eine fiktive Mondlandschaft erstellt. Das Werk besteht aus drei Komponenten, es ist als Triptychon gestaltet. Ich habe die zwölf Astronauten in die Mondlandschaft montiert. Alle sind bei der Arbeit zu sehen, führen Experimente durch. Das Bild ist chronologisch aufgebaut. Links Apollo 11, ganz rechts Apollo 17. Das Bild sollte etwas ganz Neues, noch nie Dagewesenes werden. Die größte Herausforderung war es, aus der unterschiedlichen Bildqualität des Archivmaterials eine stimmige Komposition zu entwickeln.
Die wunderbare Mondkomposition ist nun auch bei OHB zu bewundern. Was ist das Besondere an diesem Bild?
Für OHB habe ich das ursprüngliche Triptychon in ein 20 Meter breites Gesamtbild umgearbeitet. So entstand ein immersives Panorama bei dem der Betrachter das Gefühl hat, in das Bild hineingehen zu können. Ich kenne Marco Fuchs schon länger, denn OHB ist bereits im Besitz von zweier meiner Werke, eines davon ist „orbital ascension“, es zeigt einen Ariane-Start, bei denen Galileo-Satelliten an Bord waren. Nachdem die „lunar explorers“ 2019 entstanden sind, nahmen wir wieder Kontakt auf. Jetzt befindet sich bei OHB das mit Abstand größte Werk, das ich je geschaffen habe.
Können Sie sich vorstellen, selbst in den Weltraum zu fliegen?
Natürlich, das ist mein Plan. Ich bin seit 2012 einer der „Virgin Galactics Pioneer Astronauts“ des US-amerikanischen Raumfahrtunternehmens Virgin Galactics und werde mit dem SpaceShipTwo demnächst ins All fliegen. Als Künstler bin ich selbst immer stark physisch involviert in meine Projekte, der performative Aspekt ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Ich habe deswegen bereits ein umfangreiches Kosmonautentraining in Star City bei Moskau absolviert - eine einzigartige Erfahrungen, die die Basis für meine Werkschaffung bildet.
Respekt! Was war dabei die bisher größte Challenge für Sie?
Es ist eine unfassbare physische und psychische Belastung. Ich habe mittlerweile ein komplett anderes Verständnis dafür, was Astronauten bei ihrer Ausbildung leisten müssen. Die Gravitationskräfte, die ich beispielsweise beim Zentrifugentraining erlebt habe, sind nicht nur körperlich anstrengend, sondern stellen auch eine hohe psychische Belastung dar. Auch der Umgang mit den technologischen Schutzhüllen wie beispielsweise ein Raumanzug stellt eine große physische und mentale Herausforderung dar.
Haben Sie selbst ein Spacewalktraining absolviert?
Oh ja – in einem gigantischen Hydrolab in Star City. Eingezwängt in einen Raumanzug habe ich in zwölf Metern Tiefe an einem Mockup der ISS das Arbeiten in der Schwerelosigkeit trainiert. Das Training war gepaart mit einer Fotoproduktion unter Wasser – diese war natürlich ein zusätzliches Stressmoment.
Beeindruckend! Verstehen Sie sich auch als eine Art Dolmetscher, der Raumfahrt durch Kunst begreifbar macht?
Ja. Als Künstler versuche ich immer Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Ingenieuren ist für mich enorm wichtig, ich lerne viel über komplexe technische Zusammenhänge und versuche diese dann in eine neue visuelle Ästhetik zu transformieren, so wie es auch mit „lunar explorers“ gelungen ist. Aus der Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Unternehmen können sich sehr spannende Synergien entwickeln. Im Falle von OHB ist sicherlich etwas sehr Einzigartiges gelungen.