25. Juli 2018. Den Start einer Rakete live mitzuerleben, ist eine eigentlich unbeschreibliche Erfahrung. Die Urtümlichkeit der Gewalt der Booster nach der Zündung ist atemberaubend. Es ist das Sehen und das Hören dieser Kraft von rund 30 Millionen PS wie bei der Ariane 5, mehr aber noch ist es das Spüren. Die ganze Luft vibriert beim Start, man merkt es am ganzen Körper, mit welcher Macht die Rakete sich vom Boden löst. Ich habe schon viele Starts in meinem Leben vor Ort gesehen – aber es ist jedes Mal aufs Neue eine gewaltige Faszination.
Die Herausforderungen angenommen und mustergültig umgesetzt
Der jüngste Start einer Ariane 5 vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou ist für mich aus einem weiteren Grund ein ganz besonderes Ereignis. Die Rakete transportiert vier weitere Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo ins All. Damit sind dann 22 Satelliten, die von OHB gebaut wurden, im All angekommen und werden ihren Dienst für die Menschen auf der Welt verrichten. Damit erreicht die Konstellation ihre erste nominelle Ausstattung. Das ist ein bedeutender Meilenstein für OHB. Es ist der Lohn für einen sehr guten Job, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht haben. Wir haben die Herausforderung dieser Aufgabe angenommen und wirklich mustergültig umgesetzt. Der erste große Abschnitt ist jetzt fertig. Von nun an erreicht das Navigationssystem Galileo weltweit eine Überdeckung von 100 Prozent. Mit anderen Worten: an jedem Ort der Welt hat man damit ein Signal.
Galileo wird künftig viele Leben retten
Und das ist inzwischen längst keine Theorie mehr. Der praktische Nutzen des Systems ist inzwischen für jeden Menschen erfahrbar. Wahrscheinlich geschieht das bei Ihnen genauso wie auch ich selbst von Galileo profitiere: mit dem Positionieren bzw. Navigieren per Smartphone. 17 Hersteller von Smartphones – allen voran Apple, Samsung, Google, Huawei oder Sony – haben Galileo integriert; in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 sind weltweit 186 Millionen Smartphones mit Galileo-Chipsatz ausgeliefert worden. Und inzwischen hat Volvo als erster Autohersteller in seinem Modell V60 einen Notruf-Assistenten basierend auf Galileo eingebaut. Denn das Galileo-System verfügt auch über eine neue Generation von SAR-Antennen (Search and Rescue), mit denen es deutlich genauer und schneller möglich sein wird, Notrufsignale zu empfangen und den Unfallort zu lokalisieren. Das wird mittelfristig dazu führen, dass Rettungskräfte schneller und besser helfen können, weil sie früher als bisher bei den Unfallopfern sein werden. Anders formuliert: Galileo wird künftig viele Leben retten.
Die Entscheidung Europas für Galileo ist vor dem Hintergrund der aktuellen Weltlage ein Glücksfall
Der ursprüngliche Gedanke für ein europäisches Navigationssystem gerät aufgrund der vielen praktischen Anwendungen dabei fast schon in Vergessenheit. Er sollte jedoch gerade aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage auf der Welt immer wieder bewusstgemacht werden: das vorherrschende weltweite Navigationssystem war bislang das amerikanische GPS. Dieses System gehört jedoch dem US-Militär, weshalb es immer wieder passiert ist, dass die USA den zivilen Nutzen von GPS im Kriegsfall deutlich eingeschränkt haben. Europa hat sich deshalb in weiser Voraussicht dafür entschieden, ein rein ziviles Navigationssystem aufzubauen, um von den möglichen militärischen Restriktionen der USA unabhängig zu sein. Betrachtet man sich die Spannungen, die aufgrund der Politik des US-Präsidenten Donald Trump weltweit immer stärker zu beobachten sind, ist die Entscheidung der Europäischen Union von damals mehr als nur vorausschauend zu nennen. Zumal viele Anwendungen, die sich aus den frei und kostenlos für jeden Menschen nutzbaren Daten des Systems ableiten lassen, auf neue Geschäftsmodelle und wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet sind.
Galileo wird aus der Welt einen sichereren und lebenswerteren Ort machen
Sie sehen also: der Transport dieser vier Galileo-Satelliten markiert einen bedeutenden Punkt in der europäischen Raumfahrt. Er komplettiert eines der bedeutendsten Satellitensysteme, die Europa in seiner Geschichte auf den Weg gebracht hat. Und er sorgt dafür, dass durch die Daten und Informationen, die das System zur Verfügung stellt, neue Geschäftsmodelle und neue, bessere Anwendungen entstehen werden. Das wiederum wird hoffentlich dazu beitragen, aus der Welt einen besseren, sichereren und für alle lebenswerteren Ort zu machen. Dass OHB dazu einen ganz wesentlichen Beitrag leistet, macht mich unglaublich stolz.
Zur Person
Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.