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Eine Kolumne von Marco Fuchs: Gedanken über Zeit und Raum

Wie der Börsengang von OHB zu mehr Transparenz geführt hat

Aus dem Aktienrecht ergeben sich besondere Pflichten, aber auch Chancen für börsennotierte Unternehmen

29. Mai 2019. In der vergangenen Woche war es wieder soweit: die Aktionärinnen und Aktionäre von OHB SE sind nach Bremen gekommen, um an unserer jährlichen Hauptversammlung teilzunehmen. Ich freue mich immer sehr auf diesen Termin. Es ist wie ein großes Familientreffen. In diesem Rahmen können wir uns unseren Anteilseignern präsentieren und erklären. Ich bin ein sehr großer Freund dieser Art von Transparenz.

Transparenz als Folge des Börsengangs

Der Zwang zur Transparenz auf unterschiedlichen Ebenen ist auch eine der wesentlichen Folgen, wenn man als mittelständisches Familienunternehmen an die Börse geht. Unser Börsengang liegt inzwischen mehr als 18 Jahre zurück, der erste Handelstag war der 13. März 2001. Seither unterliegen wir einer Reihe von Pflichten – vor allem zur Transparenz gegenüber Aktionären, den Finanzmärkten sowie der Öffentlichkeit. Eine dieser Pflichten umfasst auch, einmal im Jahr eine Hauptversammlung durchzuführen.

Warum gehen Unternehmen überhaupt an die Börse?

Doch warum begibt sich ein Unternehmen überhaupt an die Börse? Nun, vor allem mittelständische Unternehmen benötigen in diesen schnelllebigen Zeiten regelmäßig Geld, um zu wachsen. Wachstum verlangt schließlich nach Investitionen – in neue Mitarbeiter, in Infrastruktur, in neue Technologie, möglicherweise auch in Übernahmen, wenn sich eine vernünftige Gelegenheit bietet. Eine Möglichkeit ist, das Wachstum aus dem Eigenkapital bzw. dem Unternehmensgewinn zu finanzieren. Für viele Unternehmen ist das häufig nicht möglich. Deshalb greifen sie auf eine andere Möglichkeit zurück, nämlich der, sich Kapital an der Börse zu organisieren, kurzum: sich das nötige Geld durch die Ausgabe von Aktien von Investoren zu besorgen. Mit diesem Geld kann die Firma dann wachsen, indem sie neue Märkte erobert, Zukäufe tätigt, in neue Technologien investiert oder neue Geschäftsmodelle entwickelt.

Wenn alles gut geht, macht das Unternehmen dadurch mehr Umsatz und Gewinn, der Wert des Unternehmens steigt, damit verbunden steigt auch der Wert der Aktie. Davon wiederum profitieren die Anteilseigner und Investoren über den Kursgewinn. Darüber hinaus kann die Hauptversammlung beschließen, den entstandenen Bilanzgewinn als Dividende – also einer Gewinnausschüttung pro Aktie - an die Aktionäre zu verteilen.

Auch der Börsengang von OHB beziehungsweise der damaligen OHB Teledata im Jahr 2001 war getragen von dem Gedanken, schnelleres und thematisch vielseitigeres Wachstum zu ermöglichen. OHB sollte abgeleitet vom Kerngeschäft mit Satellitensystemen weitere Aktivitäten entwickeln können. Der Börsengang hat in der Folge auch dazu geführt, dass wir eine Holdingstruktur geschaffen haben, innerhalb der weitere Aktivitäten in unterschiedlichen Gesellschaften getätigt werden konnten und können.

70 Prozent der OHB-Aktien befinden sich in Familienbesitz

Es gibt allerdings einen gravierenden Unterschied von OHB zu anderen börsennotierten Unternehmen: Bei OHB befinden sich 70 Prozent der Aktien im Besitz der Familie. Und wir, die Familie Fuchs, haben nicht vor, Aktien aus unserem Bestand zu verkaufen. Diese Information ist für den Hintergrund dieses Themas sehr wichtig. Trotz unseres enormen Wachstums der letzten 18 Jahre haben wir den Familienanteil am Aktienkapital nicht verwässert. Anders ausgedrückt: OHB hat es bislang immer geschafft, das Wachstum aus der laufenden Geschäftstätigkeit heraus zu finanzieren.

Aus diesem Grund erwächst die Bedeutung der Börsennotierung für OHB auch mehr aus der Sicherheit, sich des Kapitalmarkts bedienen zu können, sollte es denn je notwendig erscheinen.

Aktiengesellschaften unterliegen strengen Prüf- und Complianceregeln

Die für das tägliche Geschäft sehr viel bedeutendere Wirkung der Börsennotierung ergibt sich für OHB jedoch aus den Pflichten, die sich aus dem Aktienrecht ergeben. Es herrscht dadurch ein deutlich größeres Bewusstsein dafür, wie mit dem Kapital umgegangen werden muss. Nicht nur, weil Aktionäre selbstverständlich ein hohes Interesse daran haben, dass dieser Umgang zu ihren Gunsten vonstatten geht. Als Aktiengesellschaft unterliegen wir strengen Prüf- und Complianceregeln, wir müssen jegliche Aktivität, die den Aktienkurs beeinflussen könnte, umgehend per Ad-hoc-Meldung an die Öffentlichkeit bringen. Darüber hinaus besteht die Pflicht, über Quartals- und Geschäftsberichte sowie einem Nachhaltigkeitsbericht Aktionäre über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu informieren.

Unternehmen sind heute auf Wahrnehmung angewiesen

Ich halte diese Beobachtung durch die Öffentlichkeit für einen der größten Vorteile, die sich aus unserer Börsennotierung ergeben. Denn sie zwingt dazu, eine sehr viel größere Disziplin im Geschäftsgebaren an den Tag zu legen, als das vielleicht in einer anderen Form der familiengeführten Kapitalgesellschaft der Fall wäre, etwa einer GmbH.

Selbstverständlich ergeben sich aus der Börsennotierung aber auch Möglichkeiten, die sich sehr gut positiv für die öffentliche Wahrnehmung nutzen lassen. Jährlich erscheint etwa ein Geschäftsbericht, auf den wir bei OHB immer sehr viel Augenmerk legen. Wir betreiben in Sachen Inhalt und Gestaltung einigen Aufwand, um ihn auch für unsere Außendarstellung einsetzen zu können. Dasselbe gilt für die Quartalsberichte. Die Hauptversammlung schließlich ist natürlich auch eine Bühne, auf der sich ein Unternehmen der Öffentlichkeit präsentiert. Schließlich bedeutet eine Notierung am Aktienmarkt auch immer eine größere Wahrnehmung in den Medien. Mir ist bewusst, dass vor allem für viele Mittelständler genau diese größere Aufmerksamkeit abschreckend wirkt. Doch in Wahrheit lässt sich Öffentlichkeit in der heutigen Zeit gar nicht mehr vermeiden. Viele Entwicklungen haben dazu beigetragen: digitale Medien, soziale Medien, das sehr viel größere Bewusstsein für sogenannte gute Unternehmensführung in der Gesellschaft sowie die explosionsartige Vervielfältigung von Informationen.

Unternehmen sind heute auf Wahrnehmung angewiesen. Nicht so sehr aus dem Grund, ihre Zahlen kundzutun; vielmehr aus dem Grund, dass ein auf Wachstum ausgerichtetes Unternehmen, zu dem auch OHB gehört, ständig neue, kompetente Mitarbeiter benötigt. Im Gefolge des demografischen Wandels werden die Auseinandersetzungen um die besten Köpfe immer härter. Firmen, die sich als attraktive Arbeitgeber wahrnehmbar machen, haben in diesem Wettbewerb sicher einen Vorteil.

So gesehen habe ich mich sehr gefreut, auch eine Reihe junger Aktionärinnen und Aktionäre auf unserer Hauptversammlung zu sehen. Eine junge Aktionärin hat sich in der Aussprache sogar zu Wort gemeldet und interessante Fragen zur sozialen Zusammensetzung der Belegschaft gestellt. Derartiges Interesse macht mich zuversichtlich, dass OHB als führendes Technologieunternehmen auch künftig attraktiv genug für junge, kreative Menschen bleiben wird – ob als mögliche Mitarbeiter oder Anteilseigner.


Zur Person

Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.


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