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Eine Kolumne von Marco Fuchs: Gedanken über Zeit und Raum

Warum Erdbeobachtung unverzichtbar ist

Wie Satelliten helfen, mehr über die Erde zu erfahren

01. April 2019. Unseren Planeten zu verlassen und die Erde von oben zu sehen: das ist das Spektakuläre und gleichzeitig Faszinierende, das mit der Raumfahrt möglich geworden ist. Von oben sieht man die ganze Verletzlichkeit dieses kleinen blauen Punktes im Universum. Dazu kommt das durch die bemannte Raumfahrt geschärfte Bewusstsein dieser Verletzlichkeit – und damit einhergehend die Notwendigkeit, die Veränderungen auf der Erde noch besser und genauer zu beobachten. Die Satellitentechnologie ist für diesen Zweck unverzichtbar. Mehr noch: sie macht es überhaupt erst möglich, über das Sammeln von Daten und Fakten zu neuen Erkenntnissen über den Zustand der Erde zu kommen. Erdbeobachtung führt in diesem Sinn dazu, dass wir mehr über die Erde erfahren und somit vielleicht besser und schneller herausfinden, wohin sie sich entwickelt.

Mit dem Start des Satelliten PRISMA vor gut einer Woche, den unser Tochterunternehmen OHB Italia im Auftrag der italienischen Weltraumagentur ASI gebaut hat, ist eine weitere wichtige Kompetenz in der Erdbeobachtung dazugekommen. Das Besondere an dem Satelliten ist nämlich sein hyperspektraler optischer Sensor. Die Hyperspektraltechnologie erlaubt es, Veränderungen der Umwelt auf der Erde genauer und präziser zu beobachten. Forscher und andere Anwender werden die Fähigkeiten von PRISMA in verschiedenen Bereichen nutzen können. Es wird besser möglich sein, Veränderungen der Umwelt zu beobachten, wir werden besser bestimmten können, wie wir mit Ressourcen umgehen, der Zustand von Kulturpflanzen wie Getreide oder Bäumen kann besser bestimmt werden, Umweltverschmutzung wird leichter und schneller festzustellen und am Ende auch die Frage präziser zu beantworten sein, wer den Frevel verursacht hat.

Das Thema Hyperspektraltechnologie macht mich übrigens wirklich sehr stolz. Denn weltweit gibt es derzeit nur zwei Projekte für Hyperspektralsatelliten – und beide werden im OHB-Konzern umgesetzt. Neben PRISMA, der wie erwähnt kürzlich von Kourou aus ins All gestartet ist, bauen wir im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR den EnMAP. Das Beobachtungsinstrument des Satelliten ist eine Innovation und so gesehen natürlich technisch enorm herausfordernd. Messungen mit der Genauigkeit von EnMAP hat es bislang vom Weltraum aus noch nicht gegeben. Daten werden dabei in 20 bis 250 spektralen Kanälen aufgezeichnet, die von Wellenlängen im ultravioletten Bereich bis zum langwelligen Infrarot reichen. Besonders für die Umweltbeobachtung lassen sich mit dieser Technologie qualitativ bessere und vor allem nützlichere Daten beschaffen. Hyperspektraltechnologie lässt Rückschlüsse auf dynamische Umwelteinflüsse zu. Es geht darum, qualitative Aussagen über etwa die Entwicklung von Böden oder der Vegetation treffen zu können.

Aus diesem Grund bin ich auch sehr sicher, dass der Bereich Umwelt einschließlich Wetter und Klima langfristig enorm an Bedeutung gewinnen wird. Die Umweltüberwachung aus dem Weltraum wird ein Ausmaß annehmen, das wir uns im Moment noch gar nicht vorstellen. Sie wird eine Permanenz und Vielschichtigkeit bekommen, die sie von allen anderen Bereichen deutlich unterscheidet. Bei der Aufklärung geht es um drei, vier abbildende Sensoren, zum Beispiel hochauflösende elektronische Optik, Radar oder Infrarot. Für die Umwelt gibt es deutlich mehr. Und zwar in der Form, dass ich überzeugt bin, wir werden in Zukunft möglicherweise über Sensoren reden, die eine eigene Satellitenkonstellation notwendig machen.

In diesem Sinn bin ich auch sehr froh, dass wir bei OHB über unsere Expertise in der Erdbeobachtungstechnologie einen Beitrag leisten können, die Erde langfristig zu schützen und zu erhalten. Die Raumfahrt nimmt für sich ja insgesamt in Anspruch, dass sie Gutes für die Erde leistet. Für die Überwachung der Umwelt nehmen wir natürlich auch in Anspruch, dass die Erde damit bewahrt werden soll. Den unmittelbarsten Nutzen für das tägliche Leben liefern übrigens Wettersatelliten. Das ist das Alltäglichste, das man heute als Information bekommen kann. Und viele Ältere erinnern noch, dass die Wettervorhersage lange Zeit mehr mit Wahrsagerei als Empirie zu tun hatte. Heute ist das völlig anders. Wettervorhersagen sind verlässlich geworden. Es ist eine Naturwissenschaft geworden, die präzise Vorhersagen liefert. Kurzum: Das Wetter ist die alltäglichste Frage, die jeden umtreibt. Jeder Mensch, in allen Kulturen, in allen Lebenslagen, interessiert sich für das Wetter.

Die Wetterbeobachtung wird deshalb noch eine sehr, sehr lange Zeit sehr, sehr wichtig sein. Das Geschäft mit Satelliten in dem Bereich profitiert davon, weil Satelliten für die Wetterbeobachtung in den letzten Jahrzehnten sehr viel besser geworden sind. Die Frage ist immer die gleiche: Was kann man beobachten, welche Erkenntnisse gewinnt man und was kann man daraus ableiten? So gesehen hat die Raumfahrt der Wettervorhersage viel gebracht, umgekehrt aber auch das Wetter der Raumfahrt – und natürlich OHB, denn in unseren Hallen wird gerade die nächste Generation der Wettersatelliten gebaut, MTG.


Zur Person

Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.


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