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Eine Kolumne von Marco Fuchs: Gedanken über Zeit und Raum

Reisen ins All sind für die Menschheit eine Existenzfrage

Warum wir die Anstrengungen deutlich verstärken müssen, neue Lebensräume im Universum zu erreichen

16. Januar 2019. Am 20. Juli dieses Jahres jährt sich ein Ereignis zum 50. Mal, das ich als eine der bedeutendsten Leistungen in der Geschichte der Menschheit bezeichnen würde. Mit der Landung auf dem Mond ist es den Menschen 1969 erstmals gelungen, sich von ihrem Heimatplaneten zu entfernen und ihren Fußabdruck auf einem anderen Himmelskörper zu hinterlassen. Dieses Ereignis war deshalb so bedeutend, weil damit bemannte Missionen zu anderen Planeten nicht mehr allein der Phantasie von Science-Fiction-Autoren entsprungen sein mussten. Es war plötzlich eine reale Möglichkeit geworden, dass Menschen Entdeckungsreisen ins Universum unternehmen – und sogar auf einem weit entfernten Planeten landen.

Ich bewundere Elon Musk für seinen Mut

Heute sprechen wir fast schon mit einer gewissen Selbstverständlichkeit über die Möglichkeit, Außenposten auf dem Mond oder dem Mars zu gründen. Elon Musk, der visionäre Macher von SpaceX, hat kürzlich angekündigt, 2025 auf den Mars umziehen zu wollen. Ich habe das Glück, Elon ein wenig zu kennen und weiß deshalb, dass er sich das wirklich vornimmt! Wie realistisch sein Vorhaben in der gegebenen Zeit ist, kann ich allerdings nicht wirklich beurteilen. Ich muss aber gestehen, dass ich ihn für seinen Mut bewundere.

Wenn man die Idee vom interstellaren Wohnortwechsel aber mal von einer Metaebene aus betrachtet, stellt man fest: für den „Umzug“ auf einen anderen Planten gibt es handfeste Gründe. Neben dem urmenschlichen Drang neue Lebensräume zu entdecken, besteht für die Menschheit aus dem puren Drang zur Arterhaltung heraus die unverzichtbare Notwendigkeit, über kurz oder lang den Planeten zu verlassen. Es drohen jede Menge Gefahren, die aus der Erde entweder schon in wenigen hundert oder erst in einigen Milliarden Jahren einen Ort machen werden, an dem Leben kaum noch möglich sein wird. Und somit müssen wir uns im Interesse der nachfolgenden Generationen jetzt darüber Gedanken machen, wie wir in einer fernen Zukunft als Gattung weiter existieren werden. Und vor allem: wo wir das tun können.

Es gibt reale, existenzbedrohende Gefahren

Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass Gefahren, die unseren Planeten zu einem unwirtlichen Ort machen könnten, in einer bedrohlich überschaubaren Zeitspanne drohen. Etwa durch die enorme Zunahme der Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten. Derzeit wächst die Zahl der Menschen auf der Erde – aktuell sind es 7,7 Milliarden - pro Jahr um 1,9 Prozent. Setzt sich dieses Wachstum so fort, würden wir, überspitzt formuliert, im Jahr 2100 Schulter an Schulter stehen. Damit einher gehen Umweltprobleme, Ernährungsthemen, der Klimawandel und damit ein weltweiter Anstieg der Temperaturen sowie der Meeresspiegel, die die Probleme weiter verschärfen.

Eine reale, existenzbedrohende Gefahr geht auch von Asteroiden aus, die auf Kollisionskurs mit der Erde gehen könnten. Eine Bedrohung, die im Bewusstsein der Menschen ebenfalls kaum ernsthaft vorhanden ist. Dabei gibt es im Universum Millionen von Gesteinsbrocken, die im Fall einer Kollision jedes Leben auf der Erde auslöschen würden. Ein solches Ereignis tritt im Mittel Gott sei Dank nur alle 100 Millionen Jahre auf. Zuletzt traf ein solches Objekt die Erde vor 66 Millionen Jahren. Damals starben 75 Prozent aller Lebewesen auf der Erde aus, unter anderem die Dinosaurier. Als Optimist, für den ich mich halte, gehe ich jedoch davon aus, dass der Erfindergeist der Menschen dafür sorgen wird, Lösungen für all diese Bedrohungen zu finden.

Doch irgendwann, in einer sehr weit entfernten Zukunft, wird auch all unser Optimismus nichts mehr helfen. Denn irgendwann wird die Erde als Lebensraum nicht mehr existieren, spätestens dann, wenn sich in einigen Milliarden Jahren die Sonne zum roten Riesen aufbläht und alle Planeten verschlingen wird. Oder die Milchstraße mit dem Andromedanebel kollidieren wird. Kurzum: die Existenzfrage für unsere Art stellt sich wie Anfangs erwähnt früher oder später. Und so lässt sich auch begründen, weshalb die großen Raumfahrtagenturen Milliarden für Wissenschaftsmissionen ausgeben.

Gibt es exoplaneten im Universum?

Nehmen Sie das Projekt „Plato“ der ESA als Beispiel. Diese Mission hat zum Ziel, mit einem von OHB entwickelten und gebauten Satelliten ab dem Jahr 2026 nach Exoplaneten im Universum zu suchen – Planeten also, die sich in einer sogenannten habitablen Zone um eine Sonne bewegen. Plato wird diese Suche durch eine neue bildgebende Technologie deutlich verbessern. Bislang kennen wir nur eine überschaubare Zahl solcher Planeten – die meisten davon sind hunderte bis tausende Lichtjahre von der Erde entfernt. Plato könnte dafür sorgen, dass wir nicht nur noch lebensfreundlichere Himmelskörper entdecken, sondern vielleicht auch solche, die in für Menschen erreichbaren Entfernungen zur Erde liegen.

Der kürzlich verstorbene Physiker Stephen Hawking hat die Menschheit in den vergangenen Jahren eindringlich dazu aufgefordert, sich Alternativen zum Lebensraum Erde zu suchen. Er war der Meinung, dass die Erde schon in gut 1000 Jahren unbewohnbar sein wird. Nicht zuletzt aus diesem Grund war Hawking einer der Treiber hinter dem Projekt „Breakthrough Starshot“, das hauptsächlich vom russischen Internet-Milliardär Juri Milner finanziert wird. Die Idee ist, einen Schwarm von Kleinstsatelliten mit einem gewaltigen Laserstrahl von der Erde aus so zu beschleunigen, dass sie ein Tempo von einem Fünftel der Lichtgeschwindigkeit erreichen. So würden sie das nächstgelegene Sternensystem Alpha Centauri, das rund vier Lichtjahre von der Erde entfernt ist, in gut 20 Jahren erreichen. Ich bin sehr stolz darauf, dass OHB einen Beitrag zu diesem Projekt leisten kann. Die ersten vier Minisatelliten, die die Größe einer Briefmarke haben, sind mit unserem Wissenschaftssatelliten Max Valier im Jahr 2017 zur Technologieerprobung ins All geflogen.

Die Möglichkeit, Reisen ins All zu unternehmen, wird für die Menschheit zur Existenzfrage

Noch ist Starshot freilich Zukunftsmusik. Der Bau dieses Superlasers ist eine gewaltige technologische Herausforderung; von den finanziellen Mitteln, die dafür aufgebracht werden müssen, ganz zu schweigen. Doch eins ist gewiss: aus all den oben genannten Gründen gibt es eine existenzielle Notwendigkeit für die Menschheit, sich mit dem Thema Exploration in der Raumfahrt nachdrücklich zu beschäftigen. Deshalb sind die öffentlichen Mittel, die in die Förderung von Technologieentwicklungen in der Raumfahrt investiert werden, auch sinnvoll ausgegeben. Mehr noch: angesichts der geschilderten Herausforderungen ist es ein Akt der Vernunft, die Anstrengungen dabei deutlich zu verstärken. Mit dieser Forderung befinde ich mich übrigens in prominenter Gesellschaft – vor allem Stephen Hawking hat eindringlich mehr Anstrengungen und Tempo angemahnt, um interstellare Reisen zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, dass das Jahr 2019 mit dem Jubiläum der Mondlandung vor 50 Jahren ein neues Bewusstsein dafür schaffen wird, wie wichtig und vor allem überlebensnotwendig es für uns Menschen sein wird, die Suche nach alternativen Lebensräumen im All zu verstärken. Die Möglichkeit, Reisen ins All zu unternehmen, wird für die Menschheit somit zur Existenzfrage.

Dazu werden die ersten wichtigen Schritte vorbereitet. Eine Mondbasis wird uns künftig als Außenposten dienen, um sehr viel unkomplizierter Raumschiffe für die Weiterreise ins All zu starten. Der Mars ist dabei das nächste Ziel. Wir müssen aber auch erforschen, wie Menschen die langen Reisen durch das Universum überleben und wie sie gegen die Strahlenbelastung geschützt werden können.

Und so werden wir Menschen uns möglicherweise in den nächsten hunderten von Jahren Schritt für Schritt weiter ins Universum vorwagen – so wie es die Wikinger vor über 1000 Jahren auf ihrem Weg nach Amerika per Schiff auch gemacht haben. Sie kamen erst bis Grönland, haben dort Kräfte und Proviant gesammelt und sind dann weiter gesegelt, bis sie Neufundland erreicht haben.


Zur Person

Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.


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