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Eine Kolumne von Marco Fuchs: Gedanken über Zeit und Raum

Familienunternehmen sind Stabilitätsinseln der Gesellschaft

Sie sind langzeitorientierter und basieren auf menschlichen Beziehungen

26. Oktober 2018. Während des Raumfahrtkongresses IAC, der vor kurzem in meiner Heimatstadt Bremen stattgefunden hat, gab es einen Termin, der mich ganz besonders gefreut hat: Jim Bridenstine, der neue Administrator der NASA, hat OHB einen Besuch abgestattet. Das Gespräch war hochinteressant. Bridenstine verfolgt ambitionierte Ziele, bei denen wir Deutschen ihn durchaus unterstützen können. Ich selbst fand daran am spannendsten, dass ihn nach meinem Gefühl am meisten die Tatsache beeindruckt hat, wie innerhalb von weniger als 40 Jahren aus einer Garagenfirma eines der drei großen europäischen Raumfahrtunternehmen werden konnte. Und das nicht etwa durch die geballte Kraft großer Investoren. Nein, es war ein Ehepaar aus Bremen, das sich in den Kopf gesetzt hatte, als Familienunternehmen eine bedeutende Rolle in der Raumfahrt einzunehmen. Meine Mutter, die OHB 1981 als damaligen Schiffsreparaturbetrieb übernommen hat, war bei dem Gespräch dabei und erzählte, wie sie einige Jahre später mit meinem Vater die sehr mutige Entscheidung traf, auf Raumfahrttechnologie zu setzen.

Start-Up- und David-gegen-Goliath-Dramaturgie

Es ist auch für mich, der die zweite Generation unseres Familienunternehmens verkörpert, immer wieder spannend zu sehen, wie die Entstehungsgeschichte von OHB auf andere wirkt. Vor allem auf Amerikaner übt diese Mischung aus Start-Up- und David-gegen-Goliath-Dramaturgie eine besondere Wirkung aus – die Story des Nobodys, der es mit Mut, Leidenschaft und Zähigkeit mit den Großen aufnimmt und auch noch Erfolg damit hat, ähnelt ja sehr dem amerikanischen Traum des Tellerwäschers, der zum Millionär werden kann.

Ich werde immer wieder mal gefragt, was für mich das Besondere an OHB ist. Meine Antwort darauf lautet: OHB ist eines der sehr wenigen unabhängigen und familiengeführten Raumfahrtunternehmen, das ich kenne. Wenn wir das Adjektiv „deutsch“ noch ergänzen, bin ich mir sicher, dass wir die einzigen sind. Eine weitere Besonderheit ist: wir haben unser beständiges Wachstum seit dem Börsengang 2001 stets aus dem Cash-Flow finanziert. Die Anteile der Familie am Unternehmen wurden niemals verwässert. Und das haben wir auch in Zukunft nicht vor.

Der wirkliche Wert einer solchen Struktur liegt in der Unabhängigkeit

Deshalb betone ich auch immer: der wirkliche Wert einer solchen Struktur liegt in der Unabhängigkeit. Wir agieren dadurch in einem weniger taktisch und finanzkapitalistisch orientierten Umfeld. Das Modell Familie schafft mehr Langfristigkeit in der Unternehmensführung und im Management. Denn am Ende ist es der Eigentümer, der den größten Anreiz hat, dass es der Firma gut geht. Er hat schließlich auch am meisten zu verlieren. In Familienunternehmen werden deshalb auch schlicht aus Eigennutz bestimmte zweifelhafte Dinge nicht gemacht.

Familienunternehmen schaffen Vertrauen und Verlässlichkeit

Das sind wichtige Werte in einer Zeit, in der viel Unsicherheit und auch Angst in Teilen der Gesellschaft herrschen. So gesehen können Familienunternehmen über ihre Kultur und die nachhaltiger ausgerichtete Strategie mehr Einfluss auf die Verfasstheit der Gesellschaft ausüben, als ihnen womöglich bewusst ist. Sie stellen in diesen wechselvollen Zeiten Stabilitätsinseln und Kontinuitätsanker dar. Sie sind langfristiger und am Ende auf menschlichen Beziehungen aufgebaut. Das liegt massiv im grundsätzlichen Interesse von Mitarbeitern. Eine derartige Firmenkultur schafft Vertrauen und Verlässlichkeit.

Ich würde für uns bei OHB und ganz explizit für mich als Inhaber in Anspruch nehmen, diese Werte zu leben. Familienunternehmen sind tendenziell auch immer bereit, für geringere Margen zu arbeiten, wenn es dafür dem Unternehmen gut geht. Das ist deshalb möglich, weil man es als eine der Familie ganz nahestehende Institution betrachtet. Es ist eben etwas, das einem selbst gehört. Darum kümmert man sich einfach anders. Mitarbeiter müssen freilich all die Eigenheiten akzeptieren, die ein Familienunternehmen nun mal mit sich bringt. Das ist bei OHB nicht anders als bei den vielen Tausend anderen Unternehmen dieser Art in Deutschland.

Natürlich waren auch bei OHB die Anfangsjahre großartig, als sich alle noch kannten, die Organisation sehr überschaubar war und eine gewisse Unbekümmertheit herrschte. Andererseits schätze ich inzwischen die Professionalität außerhalb der Familienkultur, die unser Wachstum einfach notwendig gemacht hat. Wir müssen eine moderne Firma sein, ohne die Identifikation als Familienunternehmen zu verlieren. Das ist nicht immer ganz einfach. Aber für mich ist ganz entscheidend: Wir sind ein unabhängiges Unternehmen, in dem Mitarbeiter jeden Tag mit dem Gefühl zur Arbeit gehen, Teil von etwas ganz Besonderem zu sein. Das hat dann nicht nur positive Effekte für das Unternehmen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt.


Zur Person

Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.


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